Full text: Das Legitimitätsprincip.

227 
dieses parlamentarischen Usus bei uns verhindert hat; wenn 
bei uns staatsmännische Persönlichkeiten sich überhaupt nur 
selten und niemals bei allen Parteien zugleich fanden, die 
Bildung des Ministeriums aus der jedesmaligen Majorität 
also nicht möglich schien; wenn ferner das moralische Ge- 
fühl einer Niederlage der meist conservativen, aus dem Adel 
gebildeten Ministerien einer meist freisinnigen, aus bürger- 
lichen Kreisen hervorgegangenen Kammermajorität gegenüber 
in Deutschland nicht so stark werden konnte wie in England, 
wo jede Partei aus Mitgliedern der herrschenden Klassen be- 
steht und der in die Minorität gekommene Minister nicht blos 
dem politischen Gegner, sondern überdies einem Gliede seiner 
eigenen Gesellschaft unterliegt: so sind dies Uebelstände und 
Schwächen des politischen Parteiwesens in den continentalen 
Ländern; nicht aber darf hierin eine Wahrung des monarchischen 
Princips erblickt werden, so sehr auch der persönliche Einfluß 
des Souveräns bei dieser Gestaltung des constitutionellen 
Lebens zuzunehmen oder sich zu erhalten pflegt. Die par- 
lamentarische Regierung ist vielmehr die nothwendige Folge 
einer aus festen und regierungsfähigen Parteien gebildeten 
Volksrepräsentation, und wer die letztere will, muß sich auch- 
auf die erstere gefaßt machen. 1) 
Daß dabei der König in die Lage kommt, ein Ministe- 
rium häufig gegen seine eigene Ueberzeugung zu berufen, ist 
richtig. Der Zumuthung eines Verzichts auf die eigene 
Meinung zu Gunsten der Ermöglichung einer geordneten und 
verfassungsmäßigen Regierung ist aber auch von den cen- 
tinentalen Fürsten häufig nachgegeben worden, ohne daß man 
hierin einen Widerspruch gegen die monarchische Machtstellung 
1) Vgl. Mohl, Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, 
I, 289, 290. 
157
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.