235
Die illegitimen Throne sollten sich nach dieser Ansicht zu
dem Legitimitätsprincip etwa so verhalten wie die nicht wieder
aufzuhebende Wirkung eines vollendeten Verbrechens zu einer
Rechtsordnung, deren Strafmittel leider nicht ausreichend seien,
um den Usurpator mit der verschuldeten Strafe heimzusuchen.
Auch die Wissenschaft ist dieser Auffassung nicht fremd
geblieben; so hat Heffter 1), durch die Praxis der inter-
nationalen Beziehungen gezwungen, den Besitzstand als „sub-
sidiarischen Regulator der Staatenverhältnisse“ mit der Fähig-
keit, im Innern des Staats wie im internationalen Verkehre
Recht zu erzeugen, für den Fall angenommen, daß das Recht
nicht klar erweislich oder noch bestritten sei, und sich mit
diesem Zugeständnisse an die etwaigen illegitimen Staaten-
bildungen durch die auch für die Staaten gültige Mahnung
abgefunden: hundert Jahre Unrecht seien noch kein Tag Recht.
Selbst Stahl hat sich, freilich nur beiläufig, an einer
Stelle seines großen rechtsphilosophischen Werks, an welcher
er den Besitz überhaupt abhandelt, zu dem Zugeständnisse
herbeigelassen, der Schutz des juristischen Besitzes und die
Achtung der Regierungen de tacto hätten ein und dasselbe
Princip. 2)
Im ganzen mochte jedoch die legitimistische Theorie und
beinahe in gleichem Umfange die Jurisprudenz der Macht,
welche nur durch die Verletzung des Rechts zur Herrschaft
gekommen, eine solche Bedeutung nicht einräumen; wenn der
illegitime Monarch vollständig mit den gleichen Rechten, der
gleichen Macht, den gleichen Wirkungen wie der legitime
regierte, mußte dann die Legitimität nicht etwas staats-- und
1) Heffter, a. a. O., S. 30, 98.
2) Rechtsphilosophie, Bd. 2, Abth. 1, S. 406.