Full text: Das Legitimitätsprincip.

236 
völkerrechtlich Irrelevantes sein? War die Macht allein im 
Stande, nicht blos Staaten umzustürzen oder Dynastien zu 
vertreiben, sondern auch neue Throne oder neue Staaten und 
in diesen feste rechtliche Ordnungen zu begründen, so wurde 
die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines Throns, eines 
Herrscherhauses zum Gegenstande antiquarischer Neugierde, in- 
different für den Politiker wie für den, welcher eine vor- 
handene staatliche Ordnung wissenschaftlich zu begreifen und 
darzustellen versuchte. Dann war der Anfang jedes Staats 
und jeder Dynastie die Besitzergreifung der Gewalt, also eine 
Thatsache, welche wol Recht zu erzeugen und sich selbst mit 
rechtlichen Schutzwehren zu umgeben vermochte, aber für sich 
allein betrachtet weder formell noch materiell wirkliches Recht 
war; die Gewalt blieb dann stets das der Zeit nach Frühere, 
und das Recht war das Product, nicht der Producent der 
Thatsache, daß eine bestimmte Person in einem bestimmten 
Staate herrschte. 
So mußten denn alle diejenigen Politiker, welche die Le- 
gitimität zu dem geheiligten Unterbaue jeder existenzberechtigten 
Staatenbildung machen wollten, ebenso wie die Juristen, welche 
auch auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens lediglich die 
durch rechtmäßige Willenshandlungen erzeugten Rechtsverhält- 
nisse anerkannten, nur ungern an die Beantwortung der oben 
aufgeworfenen Frage gehen. Jede Antwort muthete ihnen 
ein Zugeständniß zu, welches sie zu machen sich nicht ent- 
schließen konnten, obgleich die juristische Construction der vor- 
handenen Staaten ein solches immer dringender forderte. Ein 
strenges Festhalten an dem Legitimitätsprincip hätte den neuen 
Dynastien und Staaten einen rechtlichen Charakter fortdauernd 
abgesprochen; sie wären immer und ewig in der Theerie we- 
nigstens etwas rein Factisches, der Umwandlung in einen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.