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Staatsrecht kämen nicht selten Fälle vor, „worin die sichere
Erledigung schwankender, zweifelhafter Verhältnisse, welche im
Privatrecht auf so wohlthätige Weise durch Usucapion oder
Klagverjährung bewirkt werde, als ein ebenso unabweisliches
Bedürfniß erscheine“. Da aber hierbei das ordnende Ein-
greifen des Gesetzgebers fehle, so breche sich zwar auch ras
Bedürfniß seine Bahn, jedoch so, daß wir die festen Zeit-
grenzen vermissen, die sich im Priratrechte überall finden.
Als Beispiel führt Savigny hierfür die englische Revolution
des Jahres 1688 an, nach welcher es auch einem strengen
Gewissen lange Zeit zweifelhaft bleiben konnte, ob eine recht-
mäßige Veränderung vorgegangen, oder bloße Gewalt geübt
worden sei. Ja, Savigny meint, „wenn die Stuarts siegreich
zurückgekehrt wären, so würde ihnen die Anerkennung ihres
fortdauernden Rechts nicht gefehlt haben“. Dagegen habe
England und Europa längst aufgehört gehabt, an dem recht-
mäßigen Thronbesitz des Hauses Braunschweig zu zweifeln,
als der Stuart'sche Königsstamm endlich im Jahre 1806 in
der Person des Cardinals von York erlosch. Niemand könne
hier und in ähnlichen Fällen ein Jahr angeben, worin der
Zweifel in Gewißheit übergehe. Wohl aber lasse sich die Be-
dingung dieses Uebergangs durch allgemeine Charaktere be-
zeichnen: „Wenn der gegenwärtige Zustand schon so lange be-
steht, daß die jetztlebende Generation keinen andern gekannt,
ja selbst von ihren nächsten Vorfahren keinen andern, als
von diesen selbst erlebt, erfahren hat, dann kann man an-
nehmen, daß dieser Zustand mit den Ueberzeugungen, Ge-
fühlen und Interessen der Nation gänzlich verschmolzen ist, und
so ist denn dasjenige vollendet, was man die publicistische
Verjährung nennen könnte.“ Dies aber sei der Charakter