Full text: Das Legitimitätsprincip.

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Wirkung“ sei als die privatrechtliche Verjährung. Um näm- 
lich einen factischen Zustand in wirkliches Recht zu verwandeln, 
sei das Hinzutreten „eines geistig= sittlichen Rechtselements" 
nothwendig. Dieses liege darin, daß das Rechtsbewußtsein 
des Volks die das alte Recht beseitigende thatsächliche Ver- 
änderung der staatlichen Verhältnisse gutheiße, sich in den 
neuen Lebenserscheinungen offenbare. Anhaltepunkte für die 
Erkenntniß, ob dieses Rechtsbewußtsein vorhanden sei oder 
nicht und demnach Bedingungen der staatsrechtlichen Ver- 
jährung seien folgende Umstände: während der Fortdauer 
offenen Kampfes innerhalb des Staats oder bei drohender 
Aussicht auf Erneuerung desselben sei der Besitz noch nicht 
festes Recht geworden. Dagegen sei die stillschweigende Zu- 
lassung oder gar ausdrückliche Anerkennung des veränderten 
Zustandes von seiten „der Organe des Staats, welche das 
Recht und die Pflicht haben, über diese Zustände und deren 
Ordnung zu wachen“ oder von seiten des Volks, endlich die 
völkerrechtliche Anerkennung der Mächte, „welche berufen sind, 
den allgemeinen Frieden und die allgemeine Weltordnung zu 
schützen“, ein sicheres, ja entscheidendes Zeugniß für die Um- 
wandlung des Besitzes in wirkliches Recht. In ähnlicher 
Weise spricht sich Bluntschli an einer andern Stelle 1) aus; 
doch vermeidet er es, hier von einer Erwerbung der Legitimi- 
tät durch Verjährung (Ersitzung) von seiten des Usurpators 
zu sprechen, sondern bezieht den Ausdruck Verjährung lediglich 
auf den Verlust des Rechts von seiten des entthronten legi- 
timen Herrschers. Er spricht also der staatsrechtlichen Verjäh- 
rung an dieser Stelle nur den Charakter einer Exstinctiv= oder 
Klagverjährung zu und macht die Legitimation des Usurpators 
1) Bluntschli, a. a. O., 2. Aufl., II, 57—59.
	        
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