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Endlich ist, wie auch Bluntschli und Stahl bekennen,
das Privatrecht seinen Gegenständen und seinem Wesen nach
durchaus vom Staatsrecht verschieden und bietet nur hinsicht-
lich des Rechts am Staatsgebiete eine gewisse Analogie.
Aber die Anwendung der Acquisitioverjährung auf das letztere
ist gerade in dem europäischen Staatsrecht nicht anerkannt. 1)
Dem widerspricht es auch nicht, daß der unvordenkliche Be-
sitz des Staatsgebietes eine wirklich rechtmäßige Erwerbung
desselben ersetzen soll?); denn dem unvordenklichen Besitzer
kann weder im Staats= und Völkerrechte noch auch im Privat-
rechte ein besser Berechtigter gegenübergestellt werden. )
Vielmehr ist der unvordenkliche Besitzer überhaupt der einzige
Berechtigte, weil, wenn er dies nicht und ein anderer im
Stande wäre, einen Rechtstitel auf diesen Besitz zu erbringen,
er überhaupt nicht unvordenklicher Besitzer sein würde.") In
Wahrheit ist letzterer nur außer Stande, einen bestimmten
rechtlichen Erwerbsgrund für seinen Besitz zu erbringen; einen
solchen kann aber auch vem unvordenklichen Besitzer gegen-
über, wenn er dies wirklich ist, kein anderer erbringen, und
ebendeshalb wird jener als Berechtigter angesehen. .)
So können wir uns denn nicht entschließen, eine staats-
rechtliche Acquisitivverjährung für möglich zu halten: theils
infolge des Grundsatzes, daß sie nur da zulässig sei, wo sie
23. Sept. 1795, Erklärung der Menschenrechte, Art. 18 (Pölitz,
a. a. O., II, 31). Die französische Verfassung von 1843, Art. 1 (Rauch,
Parlamentarisches Taschenbuch, 2. Lief., S. 160).
1) Heffter, Europäisches Völkerrecht, 4. Aueg., S. 29
2) Ebendas. —
i) Arndts, Pandekten, §. 91. «
«)Saviguy,a.6017525, 526 .
«)Vglauch«deldSystemveeBetsassvngmchts,l,60.