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Staat im Interesse des Staats und des Rechtsfriedens eine
bestimmte Frist festgesetzt hätte, nach deren Ablauf er die Ex-
propriation des eigentlichen Berechtigten für zulässig erklärt.
Der Mangel einer Verjährungsfrist muß deshalb gleich-
falls zu den Gründen gezählt werden, welche die Annahme
einer staatsrechtlichen Verjährung unmöglich machen. Ist keine
Verjährungsfrist bestimmt, so gibt es überhaupt keinen Zeit-
punkt, in welchem man die Legitimität als erworben durch
den Usurpator und folgeweise als verloren für den legitimen
Souverän erklären könnte. Man müßte dann, wenn sich so
etwas denken ließe, so lange warten, bis jegliche Art nach-
weisbarer Erinnerung an die Illegitimität der herrschenden
Familie ebenso wie an die Legitimität des depessedirten Herrscher-
hauses vollständig erloschen ist. Dann aber würde der Mon-
arch nicht infolge einer Acquisitivverjährung der Souveränetät,
sondern infolge des unvordenklichen Besitzes derselben, d. h.
infolge des Umstandes, daß ein besseres Recht als das seinige
nicht erweislich ist, als legitim betrachtet werden müssen.
Endlich dürfte es selbst für diejenigen, welche die Herbei-
ziehung privater Rechtsinstitute zur Rechtfertigung staatsrecht-
licher Verhältnisse für zulässig erachten, ein durchschlagender
Grund für die Unzulässigkeit der Annahme einer staatsrecht-
lichen Ersitzung des Rechts anf die Souveränetät sein, daß
der illegitime Thronbesitz regelmäßig ein vitiöser Besitz ist.
Im Privatrechte hat man die Möglichkeit einer Usucapion
nur bei bona fides und justus titulus des Besitzers und nur
ausnahmsweise allein bei bona füdes des Besitzers angenom-
men, niemals aber aus dem bösgläubigen, untitulirten Besitze
durch Zeitablauf Eigenthum entstehen lassen. Für die Er-
sitzung der Servituten hat das Römische Recht wenigstens ver-
langt, daß ihre Ausübung nec vi nec clam nec precario