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erfolge, das kanonische und das heutige Recht aber gleichfalls
bona fides des Ersitzenden gefordert 1): das Recht hat also
die Anwendung der Ersitzung nur unter der Bedingung für
zulässig erachtet, daß der Besitzer stets den Glauben und bei
der Eigenthumsersitzung auch das Recht zu dem Glauben hatte,
der wirkliche Eigenthümer, der Bestberechtigte an der Sache
zu sein.
Die Usurpation ist aber regelmäßig ein Gewaltact, dessen
Ausführung dem glücklichen Usurpator auch nicht die entfern-
teste Möglichkeit eines gutgläubigen oder gar titulirten Thron-
besitzes übrigläßt. Die usurpirte Souveränetät würde dem-
nach, wollte man auf sie die privatrechtliche Usucapion analog
anwenden, stets zu denjenigen Dingen oder Rechten gehören,
welche der Usucapion schlechthin entzogen sind. 2) Der Ein-
wand, das sei nur so im Privatrecht, im Staatsrecht ließe
sich dieser Rechtssatz nicht anwenden 2), ist keineswegs stich-
haltig: denn eine Uebertragung der privatrechtlichen Usuca-
pion auf das Staatsrecht erfordert jedenfalls, daß man we-
nigstens die Grundprincipien derselben, welche überhaupt das
ganze Institut erst zur juristischen Möglichkeit machen, auch
im Staatsrecht gelten läßt; dahin gehört aber zweifelsohne
der Satz, daß die erwerbende Verjährung, auf deren innern
Widerspruch gegen die Natur der Rechte im allgemeinen und
der wohlerworbenen Rechte im besondern wir soeben hinwiesen,
wenigstens nicht dem Räuber oder dem Diebe, beziehentlich
dessen Nachfolgern zugute komme, mit andern Worten, daß
die erwerbende Verjährung niemals im Stande sein solle, die
1) Arndts, a. a. O., §. 189.
2) Brie, a. a. O., S. 34, 42.
) Vgl. Bluntschli, Modernes Völkerrecht, S. 47, 48.