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bestimmten, zweifellosen Rechts zum Opfer gebracht. Nur
aus diesem Grunde konnte man dem Berechtigten sein Recht
endlich nehmen, um nicht das Vermögen der Einzelnen durch
alte halb oder ganz vergessene Forderungen oder sonstige
Klagerechte in fortwährende Unsicherheit zu bringen. Wo aber
gibt es im Staatsrechte hierfür eine Analogie? Der vollstän-
dig verdrängte, aus allen seinen Ländern vertriebene legitime
Monarch hat kein Forum, vor dem er eine Klage auf Heraus-
gabe des Thrones gegen den Usurpator anbringen könnte.
Man hat zwar mehrfach versucht, das Vorhandensein
eines solchen Gerichtshofes zu behaupten: die Congresse der
Hauptmächte der Heiligen Allianz sind als Sitzungen eines
höchsten europäischen Schiedsgerichts betrachtet worden und
noch lange, nachdem die Heilige Allianz ihre Bedeutung ver-
loren, wollten viele in der Pentarchie der Großmächte ent-
weder die Spuren oder sogar die fast vollkommene Erscheinung
eines europäischen Gerichtshofes erblicken. 1) Aber die Groß-
mächte können auch nicht das entfernteste Recht auf eine
richterliche Competenz in europäischen Thronfolgefragen und
sonstigen politischen Streitigkeiten geltend machen: die Con-
gresse im zweiten und dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts
waren vertrauliche Besprechungen über europäische Angelegen-
heiten; weder in ihrem Verfahren noch in ihren Sprüchen
wollten sie an einen Staatsgerichtshof erinnern und haben
stets dann, wenn sie trotz ihres ausdrücklichen Protestes gegen
die Annahme, daß sie als ein Gericht fungirten, doch an ein
solches erinnerten, den Unwillen der europäischen Nationen
und aller derjenigen Fürsten erweckt, die ihre Souveränetät
nicht blos als Inbegriff von Herrschaftsbefugnissen über ihre
1) Vxgl. Bluntschli, Modernes Völkerrecht, S. 47.
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