19
nach dem auch von Preußen nicht geleugneten Völkerrechte
wegen der mangelnden debellatio des Gegners einen Ab-
tretungsvertrag zu ihrer Gültigkeit voraussetzte.
So unmrichtig es demnach auch war, wenn Talleyrand die
unbedingte juristische Ungültigkeit der Eroberung an sich in
allen Fällen als einen Satz des praktisch geltenden Völker-
rechts nachzuweisen suchte, so war es doch vollständig be-
greiflich, wenn er das Legitimitätsprincip dazu benutzen wollte,
um die Eroberung künftighin von dem im Völkerrechte gül-
tigen Erwerbstiteln auszuschließen.
Wir haben uns daran gewöhnt, in der Denkart der Na-
tionen und ihrer Beherrscher, in dem ununterbrochenen Frie-
densbedürfnisse des Handels und Verkehrs, in dem sittlichen
Abschen der Gebildeten vor den Gewaltthaten eines Kriegs,
endlich in der Existenz eines Staatensystems eine Reihe that-
sächlicher, aber starker Schutzwehren des Friedens zu er-
blicken. Auch hat die Zeit von den Wiener Verträgen an im
ganzen bewiesen, daß diese factischen Hindernisse einigermaßen
ausreichen, um leichtsinnige und frivole Kriegsunternehmungen
in größerm Maßstabe wenigstens in Europa unmöglich zu
machen.
Diese Anschauung konnte aber nicht das Ergebniß einer
Betrachtung derjenigen Periode sein, welche mit dem Sturze
Napoleon's ihr Ende erreichte. Vielmehr hatte die Geschichte
des mehr als zwanzigjährigen Zeitraums, welcher seit dem
Ausbruche der Französischen Revolution verflossen war, deutlich
bewiesen, daß ohne die Verwerfung eines Eroberungsrechts
niemand, wie Tallehrand es ausdrückte, auch nur für einen
Augenblick seiner Zukunft sicher sein konnte 1), daß für den-
1) Klüber, a. a. O., VII, 50.
2*