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die Copie oder das Urbild der unvordenklichen Verjährung
aufzufassen.
Savigny hat das letztere behauptet und damit zugleich
der Verjährung im Staatsrechte die festeste Grundlage ge-
geben, welche sie überhaupt haben kann. Denn es läßt sich
nicht leugnen und ist auch von der Wissenschaft überall aner-
kannt, daß der Besitzstand der europäischen Staaten zum großen
Theil auf unvordenklichem Besitze ruht. 1) Ebenso wenig läßt
sich in Abrede stellen, daß es Dynastien gegeben hat, deren
Herrschaftsrecht auf unvordenklichen Besitz, d. h. darauf ge-
gründet war, daß die Existenz eines gegenüberstehenden bessern
Rechts so weit, als die nachweisbare Erinnerung der Menschen,
d. i. in diesem Falle, so weit die beglaubigte Geschichte reicht,
nicht nachgewiesen werden konnte.
Aber deshalb dürfen wir von einer Legitimation des
Usurpators durch unvordenklichen Thronbesitz doch nicht reden;
denn solange die Menschen wissen, daß ihr Fürst oder ihr
Fürstenhaus durch Usurpation auf den Thron gelangt und ein
besser berechtigter Fürst vorhanden ist, solange ist überhaupt
an unvordenklichen Besitz nicht zu denken. Im Privatrechte
mag man sich wol damit begnügen, den Ausspruch älterer
Leute über ihre Erinnerung an den fraglichen Rechtszustand
und die etwaigen Erzählungen ihrer Vorfahren als ein Zeug-
niß vollendeter Immemorialverjährung aufzufassen; über die
unbedeutenden Vorkommnisse des Privatlebens, der Vermögens-
erwerbung oder Veränderung eines Einzelnen geben immer
nur wenige sichere Urkunden und, wenn diese verschwunden
sind, nur wenige sichere Zeugen Auskunft, und naturgemäßer-
1) Heffter, a. a. O., S. 29, 30.