Full text: Das Legitimitätsprincip.

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jenigen alles legitim sei, welcher der Stärkere wäre. 1) 
Mochte daher die Neuordnung Curopas noch so legitim sein, 
noch so sehr den Rechten der alten Dynastien Rechnung 
tragen: es lagen darin wol große moralische Bürgschaften 
für den europäischen Frieden; aber ein ausreichendes Schutz- 
mittel für denselben war darin nicht enthalten. 
Das Gleichgewicht der politischen Gewalten von Eu- 
ropa, in welchem die meisten Staatsmänner vor der Fran- 
zösischen Revolution und selbst noch auf dem Wiener Con- 
gresse die genügende Bürgschaft eines trotz der Existenz 
kleiner und großer Staaten verhältnißmäßig festen Friedens- 
zustandes erblickten, hatte sich als ein unsicheres Schutzmittel 
des frühern Staatensystems herausgestellt: die in den Händen 
eines genialen Feldherrn concentrirte Gewalt eines mächtigen 
kriegslustigen Volks konnte es stürzen. 
Die Verträge, auf denen die frühere Ordnung Europas 
beruhte, waren gleichfalls als nichtig erkannt. Auch den bru- 
talen Kraftäußerungen des Napoleonischen Militärstaats hatten 
regelmäßig Verträge ein vorläufiges Ziel gesetzt; aber kein 
bleibender Rechtszustand war aus ihnen hervorgegangen. Die 
Friedensverträge des Schwachen mit dem Starken wurden 
jetzt offen erklärt für das, was sie auch früher gewesen, für 
Waffenstillstände, umkleidet mit Namen und trügerischem 
Scheine eines Friedensschlusses 2), werthlos den Willkürlaunen 
des mächtigern Contrahenten gegenüber. 
Die bisherigen Schutzmittel des europäischen Staaten- 
—. - 
4) Klüber, a. a. O., S. 53. 
:) De Pradt, Du Congrès de Vienne (2. Aufl., Paris 1815), 
I, 7: des treves revstues du nom et des apparences trompeuses 
de la paix.
	        
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