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der Monarch nur unter der hausgesetzlich normirten Zustim-
mung der Agnaten das Thronbesitzrecht seines Haufes voll-
ständig und dauernd zerstören.
Eine Anwendung dieser Grundsätze auf die gleichviel ob
durch Eroberung oder Revolution vollzogene Usurpation führt
mit logischer Nothwendigkeit zu der Erkenntniß, daß das Recht
der legitimen Dynastie nicht eher für vernichtet gelten kann,
als bis sie auf dasselbe verzichtet hat. Hieraus ergibt sich
weiter, daß der Usurpator jedenfalls erst dann legitimer Herr-
scher werden kann, wenn durch einen Verzicht des legitimen
Fürstenhauses das ihm entgegenstehende bessere Recht auf die
Krone aus dem Wege geräumt ist.
Schon Talleyrand hatte außer dem Erbgange noch die
freiwillige Cession von seiten des legitimen Herrschers als eine
rechtmäßige Erwerbart des Thronbesitzes anerkannt. Das
Staatsrecht kann zwar diese Auffassung nicht gelten lassen,
weil sie von dem irrigen Gedanken ausgeht, daß der Monarch
über den von ihm beherrschten Staat ein freies Dispositions-
recht besitze. Vielmehr kann die Cession der Herrschaft zu-
nächst nur als Abdankung des derzeitigen Herrschers oder
Herrscherhaufes, nicht aber als die rechtsgültige Uebertragung
der Souveränetät auf einen andern Fürsten angesehen werden,
weil der Staat auch unabhängig von der in ihm herrschenden
Dyynastie ein Recht auf die Fortdauer seiner Existenz hat, und
weil Begriff und Zweck der monarchischen Gewalt jede Be-
fugniß des Herrschers ausschließen, den Staat durch einen
rechtsgültigen Willensact zu vernichten. 1) Diesem Grundsatze
widerspricht auch der zu einer gelungenen Eroberung hinzu-
tretende Verzicht der legitimen Dynastie keineswegs; denn
) Vgl. auch oben S. 117—121, 133, 134.
Brockhaus, Legitimitätsprincip. 18