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durch einen solchen wird nur das bessere Recht beseitigt, nicht
aber auf den Eroberer übertragen, der bereits durch die Erobe-
rung, also unabhängig von dem Verzichte des legitimen Herr-
schers, den Staat vernichtet hat. Aber so irrig auch Talley-
rand's Staatsauffassung war, jedenfalls muß es als richtig
bezeichnet werden, daß der gewaltsam erworbene Besitz eines
Thrones nicht eher ein legitimer genannt werden kann, als
bis die herrschaftsberechtigten Personen auf denselben ver-
zichtet haben.
Es war natürlich, daß gerade die strengen Legitimisten
diese Legitimation des widerrechtlichen Thronerwerbes für zu-
lässig erachteten, weil sie dem Rechte des depossedirten Fürsten-
hauses in keiner Weise zu nahe tritt, vielmehr die Entscheidung
über die Frage, ob die Usurpation als solche fortdauern oder
wirkliches Recht werden solle, lediglich in die Hände des legi-
timen Herrschers legt. So ist denn die Lehre von der Zu-
lässigkeit einer Heilung der Usurpation durch Verzicht des legi-
timen Herrschers und nur durch diesen beinahe so alt wie das
Legitimitätsprincip selbst. Ebenso erklärlich ist es, daß fast
alle Juristen, welche das Wesen des dynastischen Rechts er-
kennen und letzteres nicht aus politischen Gründen jeder ge-
lungenen Revolution opfern wollen, sich für die ausschließliche
Möglichkeit dieser Legitimation des Usurpators ausgesprochen
haben. 1)
Aber so gerecht gerade die Legitimation durch Verzicht
dem Rechte der vertriebenen legitimen Dynastie wird, sie löst
das Räthsel nicht, zu dessen Lösung überhaupt die Legitimirung
der Usurpation für nothwendig erachtet wurde, das Räthsel
1) Heffter, a. a. O., S. 97. Held, Ueber Legitimität, S. 43, 44.
Zöpfl, I, 555 u. a.