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Herrschaft erreiche der Usurpator, wenn es ihm gelinge, gleich-
viel aus welchen Gründen und auf welche Weise, die Aner-
kennung der Großmächte, „welche eine natürliche Aristokratie
unter den europäischen Staaten bilden“, zu erlangen. Diese
Anerkennung brauche jedoch nicht von Dauer zu sein, und mit
der etwaigen spätern Weigerung der Großmächte, den illegi-
timen Staatsherrscher noch fernerhin anzuerkennen, falle auch
„die durch ihre Anerkennung bedingte Legitimität“ wieder weg.1)
Einer ähnlichen, aber nicht gleichen Ansicht huldigt
Bluntschli. ) Er vermengt, wie wir bereits Gelegenheit zu
erwähnen hatten, die völkerrechtliche Anerkennung von seiten
der auswärtigen Mächte mit seiner staatsrechtlichen Verjährung,
freilich ohne nur entfernt anzugeben, woher sich die Fähigkeit
fremder unbetheiligter Regierungen erklären lasse, in einem
bestimmten Lande an der durch Zeitablauf herzustellenden Ver-
edelung des Besitzstandes zur Rechtsordnung mitzuwirken.
Vielmehr spricht der Genannte sich in ganz unbedingter Weise
dahin aus, daß neben der Anerkennung der Usurpation durch
das Volk oder die obersten Organe des Staats für die Voll-
endung der neuen Rechtsbildung und den Uebergang vder an-
fänglichen Usurpation in wirkliches Recht „die völkerrechtliche
Anerkennung der Mächte, welche berufen sind, den allgemeinen
Frieden und die gemeinsame Weltordnung zu schützen“, ent-
scheidend sei. An einer andern Stelle erklärt Bluntschli gemäß
seiner eigenen Annahme von einer nicht blos der Wirkung,
sondern auch dem Rechte nach legitimirenden Kraft der völker-
rechtlichen Anerkennung seitens der europäischen Hauptmächte
es für unmöglich, daß die bereits gewährte Anerkennung zu-
1) Zöpfl, a. a. O., S. 564.
2) Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht, I, 26.
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