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timation, bald nur das Zeugniß der Vollendung einer solchen,
bald bis zu einem gewissen Grade auch eine mittelbare, aber
rein äußerliche Ursache der Legitimirung eines Usurpators. )
Darin aber sind die Ansichten Zöpfl's (wenigstens die an
dieser Stelle vorgetragenen) und Blüuntschli's einander gleich,
daß sie der internationalen Anerkennung eine Wirkung bei-
legen, welche dem Wesen der völkerrechtlichen Beziehungen
widerspricht, ja geradezu die völkerrechtliche Souveränetät der
Staaten aufheben würde. Zöyfl ist sich dieser Gefahren seiner
Ansicht wohl bewußt gewesen; auch sieht er eine wirkliche,
vollständige Legitimation nur in dem Verzicht der legitimen
Dynastie, beziehentlich in dem Aussterben derselben. Dennoch
hält er aber an einer wenngleich nicht definitiven Legitimirung
der Usurpation durch rinen Spruch der natürlichen Aristokratie
von Europa fest, ja gibt den Großmächten sogar durch die
Widerruflichkeit der infolge ihrer Anerkennung entstandenen
Legitimität eine Art Strafmittel in die Hand, das er nach
dem von ihm herangezogenen Beispiele Napoleon's sogar bis
zu einer völkerrechtlichen Aechtung zu steigern geneigt ist. Wir
können deshalb auch seine Lehre bei der Frage nicht ignoriren,
was denn die völkerrechtliche Legitimität in Wahrheit bedeute.
Wir präcifiren diese Frage dahin: Können fremde Staaten
das Recht haben, einen Staatsherrscher für unberechtigt zur
Einnahme des von ihm besessenen Throns zu erklären? Und
darf, falls diese erste Frage bejaht wird, dem Auslande die
Fähigkeit zugesprochen werden, einen Souverän, welcher nach
dem bisherigen Staatsrechte des von ihm beherrschten Landes
) Nach Bluntschli, „Modernes Völkerrecht“, §. 28—38, steht die
völkerrechtliche Anerkennung sogar regelmäßig außer allem Zusammen-
haug mit der Heilung der Usurpation.