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Herrschaft ansehen will 1), sondern ihm nur einen Anspruch
auf provisorischen Rechtsschutz gegen unbefugte und gewaltsame
Störung zuerkeunt, muß ebendeshalb beide vorstehende Fragen
bejahen: Wenn der Usurpator durch die Volksvertretung und
die übrigen Organe des Staats, insbesondere durch die Ge-
richte anerkannt worden, so sei „für die einzelnen Staatsbürger
die Unterordnung unter den factischen Herrscher zur Rechts-
pflicht geworden“, und könne der letztere „in diesem Verhält-
nisse das Recht eines legitimen Regenten ansprechen“. 2),
Wir dagegen können weder der von Bluntschli noch auch
der von Zöpfl über die staatsrechtliche Legitimirung der Usur-
pation vorgetragenen Lehre beistimmen.
Wenden wir uns nämlich der ersten von uns aufgewor-
fenen Frage zu, ob der vom Volke selbst oder von der Volks-
vertretung im Widerspruch mit dem Rechte der legitimen
Dynastie berufene Herrscher dem Volke gegenüber legitim sei,
so finden wir, daß diese Frage bei einer sorgfältigen Betrach-
tung des ganzen Verhältnisses unmöglich bejaht werden darf.
Wir berufen uns hierbei auf unsere Ausführungen über
die sogenannte privatrechtliche Legitimität. Nach diesen mußte
die privatrechtliche oder privatfürstenrechtliche Legitimität stets
mit der staatsrechtlichen identisch sein: die Legitimität des
Herrschers im Verhältnisse zum Volke ist nur die eine dem
Staate zugewendete Seite der Rechtmäßigkeit des Herrschers
überhaupt, wie die privatrechtliche Legitimität nur die dem
fürstlichen Hause und dessen privater Rechtssphäre zugewendete
andere Seite derselben Eigenschaft eines Herrschers. Alles,
1) Vgl. Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht, 4. Aufl., I, 22—25;
2. Aufl., II, 58.
:) Bluntschli, a. a. O., II 58.