323
Vollbesitze der Souveränetät unter Anerkennung ihrer Unter-
thanen ebenso wie des Auslandes behaupten können, ohne durch
Verzicht oder Aussterben der legitimen Dynastie auch nur den
entferntesten Anspruch auf Legitimität erworben zu haben?
Eine ehrliche Beantwortung der letztern Frage zwingt
jedenfalls zu dem Zugeständniß, daß das Vorhandensein fester
Rechtsordnungen, welche durch illegitime Monarchen errichtet,
verwaltet und geschützt werden, ebenso wie die vollständige
Machtlosigkeit des depossedirten Souveräns jeder Bedeutung
der Legitimität auf dem Gebiete des Staatsrechts zu wider-
sprechen scheint. Untersuchen wir aber genauer, was die Le-
gitimität des depossedirten Souveräns für Wirkungen zu äußern
im Stande ist, so ergibt sich, daß der letztere, in rechtlicher
Beziehung wenigstens, nicht blos scheinbar, sondern in Wahr-
heit vollkommen machtlos ist: der legitime Herrscher hört mit
dem zweifellosen Verluste der Staatsgewalt schlechterdings auf,
staats= und völkerrechtlich in Betracht zu kommen.
Staatsrechtlich kann der Prätendent deshalb nichts mehr
bedeuten, weil es weder im Staate noch außerhalb des Staats
ein Forum gibt und geben kann, vor welchem er seinen An-
spruch auf die Krone zur rechtlichen Anerkennung bringen
könnte. Dann aber ist auch das Verhältniß der Unterthanen
zu dem Souverän nur darauf gegründet, daß letzterer Sou-
verän ist, d. h. die Staatsgewalt innehat; das Unterthanen-
verhältniß besteht somit lediglich dem activen Herrscher gegen-
über und verlängert sich deshalb nicht über den Zeitpunkt
hinaus, an welchem der Herrscher die Staatsgewalt durch eine
vollständige Usurpation oder Eroberung verloren hat.
Ferner ist der legitime Prätendent auch völkerrechtlich
indifferent geworden, weil er regelmäßig kein Kriegerecht
mehr besitzt.
21“