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und einen die Völker befriedigenden, aber das Legitimitäts-
princip verletzenden Zustand einführen oder sanctioniren
würden.
England ausgenommen haben denn auch alle europäischen
Mächte dem Reformbedürfnisse der einzelnen Staaten und
Bölker, soweit solches überhaupt ein Gegenstand europäischer
Verhandlungen gewesen, das Gehäer schlechthin verweigern
wollen und dadurch bewiesen, daß sie die Legitimität auf-
faßten, wie sie allerdings begriffsmäßig aufgefaßt werden
mußte, als kein fortbildungsfähiges, sondern als ein unab-
änderliches Recht. Der Gedanke, die seit dem Wiener Con-
gresse innigern Beziehungen der europäischen Mächte, insbe-
sondere die Congresse zu Revisionen der Rechtsordnung von
Europa zu benutzen und den gerechten Beschwerden von Für-
sten und Völkern durch einen von dem Ansehen und der Ge-
walt der an dem Beschlusse betheiligten Staaten getragenen
und deshalb schneller Geltung sichern Schiedsspruch abzuhelfen
— der Gedanke ist den Mächten erst zu einer Zeit gekommen,
in welcher die Legitimität nicht mehr die im Princip und in
allen einzelnen Ländern festgehaltene Basis der Staaten und
Dynastien war, in welcher nur einzelne Mächte noch unter
verdrossener Berufung auf das theils verlassene, theils zu
Falle gekommene Legitimitätsprincip sich in rücksichtsloser
Opposition gegen jede Neuerung gefielen, die andern aber
auf dem Boden des Nichtinterventionsprincips standen und
nur ratihabirend, ergänzend zu den vollendeten Umwäl-
zungen im Innern einzelner Staaten und den dadurch herbei-
geführten staatlichen Neubildungen hinzutraten.
Der rücksichtslosen, unabänderlichen Herrschaft des Legi-
timitätsprincips hätte, so groß auch die hierdurch für die Ent-
wickelung der europäischen Völker heraufbeschworenen Gefahren