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nahme derartiger Grundsätze, überhaupt ein Eroberungsrecht
in der von Napoleon geübten Weise für die Zukunft unmög—-
lich zu machen, seine Legitimitätstheorie aufgestellt, und Metter-
nich, der gläubige Verehrer des Legitimitätsprincips, hatte
Talleyrand darin beigestimmt: das Recht des Stärkern sollte
nichts, die Legitimität alles bedeuten. Allein Oesterreich
durfte das Legitimitätsprincip nicht als die heilige Grundlage
der neuen europäischen Ordnung anerkennen und verkündigen,
solange es Venetien noch nicht aufgegeben, den Rechtsbruch
noch nicht geheilt, der seine Legitimität befleckte. Hatten sich
doch die französischen Diplomaten bei der Bekämpfung der
preußischen die Annexion Sachsens betreffenden Forderungen
darauf berufen, daß der Vertrag über das Recht eines Dritten
auch im Völkerrechte niemals ein Recht übertrage: eine Cession
von seiten des dermalen Berechtigten sei stets nothwendig. 1)
Aber weder in Leoben noch in Campo-Formio hatte die Re-
publik Venedig ihre Souveränetät aufgegeben und an Frank-
reich, beziehentlich Oesterreich abgetreten. Dem Legitimitäts-
princip hätte nur die Wiedererrichtung der zerstörten Republik,
beziehentlich deren freiwillige durch ihre verfassungsmäßigen
Organe ausgesprochene Unterwerfung unter Oesterreich genügt.
Niemand aber dachte daran, einen Rechtsbruch, welcher dem
alten Kaiserstaate eine reiche blühende Provinz verschaffte, noch
als solchen zu bezeichnen und im Interesse der schwer verletzten
Legitimität ernsthafte Sühne zu fordern. Vielmehr war in
den Wiener Verträgen 2) Venedig dem Kaiser von Oesterreich
als seinem legitimen Herrn zugesprochen, wie wenn es ein
1) Mémoire raisonné sur le sort de la Saxe et de son sou-
verain (Klüber, a. a. O., Bd. 1, Heft 2, S. 11).
) Acte final du Congreès de Vienne, vom 9. Juni 1815, Art. 93.
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