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Niemand konnte leugnen, daß die Existenz auch nicht
einer einzigen unter den alten Dynastien auf einem recht-
mäßigen Willensacte des souveränen Volks ruhe. Vor der
Französischen Revolution hatten nur Rechtsphilosophen und
philosophirende Politiker an eine Ableitung aller öffentlichen
Gewalten aus dem Volklswillen gedacht. Selbst die wenigen
Wahlreiche unter den alten Staaten Europas hatten durch-
gehends nur mehr oder weniger geschlossenen, meistens aristo-
kratischen Körperschaften das Wahlrecht zugesprochen und nie-
mals dem Volk als solchem, auch regelmäßig den Wahlact
nicht für eine Uebertragung der Souveränetät, sondern nur
für die Bestimmung der Person, auf welche die seit dem Abgange
des vorhergehenden Herrschers erledigte Souveränetät über-
gehen sollte, angesehen. Außerdem galt überall der Satz,
daß das Recht der Dynastie auf den Thron einer Prüfung auf
Grund bestimmter Volksrechte schlechterdings entzogen sei.
Zwar hätte der Umstand, daß Napoleon auf die von dem
souveränen Volk ausgehende Uebertragung der Herrschaft eine
Monarchie von größerer Machtfülle und Gewaltconcentration
begründet hatte als irgendein legitimer Monarch vor oder
nach ihm, die absolutistisch gesinnten Anhänger des Legitimi-
tätsprincips gegen eine Lehre günstig stimmen können, die
dem schrankenlosesten Despotismus eine scheinbar so freisinnige
und von so vielen verblendeten Politikern jener Zeit mit Vor-
liebe betrachtete Basis zu geben im Stande war. Allein wenn
auch das Legitimitätsprincip nicht die Unabhängigkeit des fürst-
lichen Rechts auf die Herrschaft dem Volkswillen gegenüber
verlangt hätte, würde schon die tiefe Abneigung gegen alle
Doctrinen revolutionären Ursprungs die Feindschaft der Hei-
ligen Allianz gegen eine Lehre, die den Bestand der historisch
überkommenen Staaten und Herrscherhäuser so gewaltig er-