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Eine solche Gebundenheit muß aber unter zweierlei Um-
ständen zweckwidrig, vielleicht sogar staatszefährdend wirken.
Einmal steht sie unter der Voraussetzung, daß die im
Staate zusammengefaßten Menschengruppen zum weitaus über-
wiegenden Teile ihrer Individuen von der Zweckmäßigkeit
enden staatlichen Ordnung
der auch sie ihrerseits beschränk
überzeugt sind. Die Staatsbürgerschaft muß von einer ge-
wissen opinio necessitatis beseelt sein, die es ihr selbstver-
ständlich erscheinen läßt, den Normen des Staates gemäß zu
leben und an der Unterdrückung der wenigen staatsgefähr-
denden Elemente mitzuwirken.
Möglich ist es aber, daß im Innern des Staates ein Drang
zur Beseitigung der bestehenden Ordnung weite Volkskreise
ergreift und sich schon da und dort in vereinzelter Gewalttat
äußert.
Zweitens kann ein Kri
führter, der eine feindliche Invasion zur Folge gehabt hat,
die Möglichkeit bieten, daß nicht allein die guten Kräfte im
Volke, sondern mehr noch die schlechten geweckt werden.
Hier sind staatsgefährdende Handlungen der einzelnen oder
ganzer Gruppen zu besorgen, von der Störung militärischer
Maßnahmen aus Unverstand bis zum kriegsverräterischen Zu-
sammengehen mit dem Feinde.)
In solchen Zeiten des Aufruhrs und des Krieges muß
der Staat, will er sich selbst behaupten, durch größtmögliche
Stärkung seiner Machtmittel die Staatsbürgerschaft so Test
zusammenfassen, daß die feindlichen Kräfte in ihr erstickt
werden. Hierbei können ihn aber die Schranken der Ver-
fassung lähmen. Die Voraussetzungen, an die ein Eingrifi
ı) Brauer in Bluntschli-Brater, Deutsches Staatswöorterbuch 8.783.