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stellung gekennzeichnet werde.!) In diesem Falle würde sich
die Reichsverfassung aber wohl begnügt haben, zu sagen: sie
genießen die Ehren eines militärischen Chefs. Wenn sie aber
zunächst ausdrücklich den Landesherren eine Chefstellung
zuweist, so darf daraus gefolgert werden, daß die Eigenschaft
eines Chefs hier nicht bloß einen Inbegriff von Ehrenrechten,
sondern auch eine wirkliche Befehlsgewalt in sich schließen
sol. Der militärische Sprachgebrauch des Wortes Chef
schließt diese Auffassung nicht aus.?)
Die Kontingentsherren haben also ein eigenes Befehls-
recht über ihre Truppen. Dem gegenüber ist der kaiserliche
Befehl des Art. 63 RV. der obere, der übergeordnete Befehl.?)
Das landesherrliche Befehlsrecht ist ein unselbständiges.
Die Reichsverfassung würde den Kaiser ermächtigen, die Aus-
übung dieses landesherrlichen Befehlsrechtes durch eigenen
Gegenbefehl zu durchkreuzen.
Bei Übertragung dieser Grundsätze auf das Recht des
Ausnahmezustands ergibt sich, daß die landesherrliche Be-
fehlsgewalt an sich genügen würde, eine Militärdiktatur nach
dem Rechte des Einzelstaats durchzuführen. Die Durchführung
wäre aber eine prekaristische: sie würde davon abhängen,
daß nicht der stärkere kaiserliche Gegenbefehl eingreift.
Soll also die Befugnis der Einzelstaaten, nach Landes-
recht die Militärdiktatur zu verkängen, als ihrer mili
itärischen
Seite nach ungeschmälert fortbestehend anerkannt werden, so
ı Richthofen, Ist das deutsche Heer ein Reichs- oder ein
Kontingentsheer? 5,54; Halbrock, Einbeitlichkeit des Reichsheeres
und Kontingentsverfassung S. 8,
*) Man denke an „Kompagniechef"“
*) DaB die RV. die Worte Befehl und Oberbefehl gleich-
bedeutend gebraucht, darüber vgl. Laband, StR. Bd. 4 8. 57.