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fangenen Truppen im Falle eines Krieges oder eines das
Bundesgebiet überziehenden Aufstandes gerade an der Stelle
entbehrt werden müßten, wo sie am nötigsten sind.
Daß die Verhängung einer landesrechtlichen Militärdikt
beim Vorhandensein der Voraussetzungen nicht durch Ent-
ziehung der Truppen vereitelt wird, dafür bietet zwar keine
rechtliche, aber eine tatsächliche Gewähr das eigene Interesse
des Reiches an der Aufrechterhaltung der Ordnung im Bundes-
gebiet. Dagegen ist es sehr wohl möglich, daß ein Teil der
zum Vollzug des landesherrlichen Belagerungszustandes kom-
mandierten Truppen abkommandiert wird, da nach dem Er-
messen der Heeresoberleitung ein geringeres Truppenaufgebot
ausreicht; dabei kann auch der Fall eintreten, daß an Stelle
des ursprünglich mit der Durchführung des Ausnahmezustands
betrauten Militärbefehlshabers ein anderer substituiert wird.
Sollen schließlich Opportunitätserwägungen die staats-
rechtlichen Ausführungen ergänzen, so kann durchaus nicht
der Anschauung beigetreten werden, daß die Fortdauer landes-
herrlicher Befugnisse zur Anordnung von Ausnahmezuständen
praktisch ungünstige Begleiterscheinungen nach sich ziehen
müsse, Gefährdungen der Staatssicherheit können lokaler
Natur sein und doch ihrer Erheblichkeit nach einen Aus-
nahmezustand zu ihrer Beseitigung verlangen. Soll der be-
troffene Einzelstaat in einem solchen Falle gezwungen sein,
die Reichsgewalt um Ergreifung einer solchen Maßregel zu
ersuchen, anstatt selbst das Erforderliche anordnen zu können?
Damit würde eine rein lokale Angelegenheit zur Reichssache
werden und weit mehr Bedeutung erlangen als ihr zukommt,
damit auch um so größere Beunruhigung hervorrufen. Auch
würde der Einzelstaat den Ausnahmezustand von sich aus
schneller als durch Vermittlung der Reichsregierung und mit