v. KAPITEL
Unterredung mit Murawiew - Die Kiautschoufrage - Die Galatafel (7. VIII. 1897).
Exzessiver Trinkspruch Wilhelms II, . Fürst Radolin +» Finanzminister Witte » Audienz
bei Nikolaus II. + Kaiserin Alexandra Feodorowna
ährend Wilhelm II. und Nikolaus II. die unter Souveränen üblichen
Küsse auf beide Wangen austauschten, die im Laufe der Geschichte
noch keinen Kriegund keinen Verrat verhinderthaben, nähertesich mirMura-
wiew, begrüßte mich als alten Freund und sagte mir, daß der inzwischen
zu Lande eingetroffene Fürst Hohenlohe ihn und mich zu einer Besprechung
in seinem Appartement in Peterhof erwarte. Die Souveräne zogen sich zu
einem ersten vertraulichen Gedankenaustausch zurück, während das
Gefolge ein opulentes Frühstück einnahm, das auf den goldenen Tellern
serviert wurde, die unter Nikolaus I. und Alexander II. das Erstaunen und
die Bewunderung der damals noch bescheideneren deutschen Gäste erregt
hatten. Inzwischen waren wir selbst reicher und ziemlich üppig geworden
und ließen uns weniger leicht blenden. Aus den Fenstern des Eßzimmers
sah man auf den Park von Peterhof, der wie das Palais selbst von Peter
dem Großen in Nachahmung von Versailles angelegt worden war, mit
herrlichen Baumanlagen und prächtigen Kaskaden, die über breite Stufen
herunterstürzten, um die in einem großen Becken hoch aufspringende, in
ganz Rußland berühmte Simson-Fontäne zu speisen. Nicht allein deutschen
Fürsten waren Versailles und der Hof Ludwigs XIV. Vorbild und Muster
gewesen. Bis zur fernen Newa und bis zur Stadt, wo, wie die Großfürstin
Helene Paulowna klagte, die Straßen feucht und die Herzen kalt waren,
drang der Ruhm des Sonnenkönigs. Der Einfluß französischen Wesens,
französischen Glanzes und der raffinierten französischen Zivilisation auf
den roheren, aber um so empfänglicheren Russen reicht weit zurück. Im
Park von Peterhof hatte jene Rose geblüht, von der Fürst Bismarck gern
erzählte. Er behauptete, Kaiser Nikolaus I. habe auf einem seiner Spazier-
gänge in diesem Park eine Schildwache bemerkt, die vor einem kahlen
Rosenstrauch stand. Der Zar fragtedie Schildwache, weshalb sie dort stünde.
Der biedere Grenadier wußte keine Antwort. Der Kaiser ließ Nachfor-
schungen anstellen, und es wurde konstatiert, daß zur Zeit der Kaiserin
Das
russische
Versailles