112 DER FLOTTEN-SCHARNHORST
mann, des Herrn von Müller und leider auch des Kaisers ergangen ist, mit
jener Taktik, die zu der entsetzlichen Schmach der Auslieferung unserer
Flotte führte, konnte es für uns nicht kommen. Darum kann kein Deutscher
die „Erinnerungen“ von Tirpitz, die er mit seinem Herzblut geschrieben
hat, ohne tiefe Bewegung lesen. Wäre Tirpitz zu Beginn des Krieges nicht
durch die Eifersucht und Kleinlichkeit der einen, die Schwäche der an-
deren und durch unseligen Irrtum des Kaisers Jahmgelegt und von jedem
Einfluß auf die Leitung und Einsetzung der Flotte ausgeschaltet worden,
so wäre vieles anders gekommen, und er würde als der Scharnhorst unserer
Flotte dastehen.
Das Schicksal des Admirals von Tirpitz ist tragisch, wie sein Buch über
den Krieg tragisch ist und wie vor allem das Schicksal des deutschen
Volkes, das Schicksal unseres Vaterlandes eine der größten Tragödien der
Weltgeschichte ist und bleibt. Aber trotz des schließlichen, unter so schauer-
lichen Begleitumständen erfolgten Untergangs der Flotte wird das deutsche
Volk ihre früheren Heldentaten, wird es die Schlacht am Skagerrak und
die Schlacht bei den Falklandsinseln, den Grafen Spee mit seinen beiden
Söhnen, Otto Weddigen und sie alle, die auf den U-Booten fuhren und
kämpften, nie und nimmer vergessen. Sie werden fortleben im Herzen
unseres Volkes wie die Helden der deutschen Sage, wie Siegfried und Ro-
land, wie die Heroen unserer frühsten Geschichte, wie Totila und Teja und
der Cherusker. Und auch Tirpitz wird in der deutschen Geschichte fort-
leben. Daran werden die Schmähungen nichts ändern, mit denen er nach
seinem Rücktritt überhäuft worden ist. Die Angriffe eines entgleisten
Marineoffhiziers wie des Kapitäns Persius werden vergessen werden, ver-
gessen wie der Tadel und die Schmähungen des freisinnigen Abgeordneten
Peter Struwe, Dr. med., Arzt für Haut- und Harnleiden in Kiel, der seine
nautischen Kenntnisse auf Spaziergängen am Kieler Hafen erwarb und aus
Gesprächen mit Matrosen und Marineinfanteristen, die von den Pfeilen
der Venus getroffen, bei ihm ärztliche Hilfe suchten. Und erst recht werden
die plumpen und dabei albernen Angriffe vergessen werden, die wie gegen
Ludendorff so auch gegen Tirpitz Professor Dr. Hans Delbrück richtete,
der schon in jungen Jahren wegen seiner Takt- und Direktionslosigkeit von
seinen Freunden „Hans Taps‘ genannt wurde. Von ihm sagte mir, nachdem
Delbrück durch sein verbohrtes Eintreten für den Bet- und Unglücksmann,
auch nachdem dessen Unzulänglichkeit klar zutage getreten war, wie für
alle polnischen Raubpläne die vaterländischen Interessen wie kaum ein
anderer geschädigt hatte, der verewigte Abgeordnete Bassermann, er
nenne Hans Delbrück nur noch „Hans-Narr“. Alle werden sie längst ver-
gessen sein, wenn der Name Tirpitz noch immer deutsche Herzen rühren
und ergreifen wird.