Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

BISMARCK UND DER BAYRISCHE MINISTERPRÄSIDENT 121 
Von Würzburg wurde am 2. September 1897, dem Sedantage, nach 
Nürnberg gefahren. 
Wenn einer Deutschland kennen 
Und Deutschland lieben soll, 
Wird man ihm Nürnberg nennen, 
Der edlen Künste voll. 
In dieser herrlichen Stadt weilte Wilhelm II. besonders gern. Hier hatte 
sein Haus lange das Burggrafenamt innegehabt. Der König von Preußen 
führte als vierten Titel nach dem Kaiser, nach dem König, nach dem Mark- 
grafen von Brandenburg, den Titel, Burggraf zu Nürnberg. Es ist allgemein 
bekannt, wie schwer es 1866 dem Fürsten Bismarck wurde, nach den preußi- 
schen Siegen in Böhmen seinen alten König zu einem maßvollen Frieden zu 
bewegen. Der König hätte nicht nur gern das schöne und reiche Böhmen 
behalten, er wünschte vor allem die 1806 verlorengegangenen fränkischen 
Fürstentümer der Hohenzollern wiederzugewinnen, die Markgrafschaft 
Bayreuth, die seit 1248, und die Markgrafschaft Ansbach, die seit 1362 im 
Besitz der Hohenzollern gewesen ‘war. Wilhelm I. erhob auch Anspruch 
auf den Stammsitz seines Hauses, auf Nürnberg, wo die Hohenzollern seit 
1190 als Burggrafen gewaltet hatten. Nach dem Donnerschlag von Sadowa 
herrschte in München große Besorgnis, daß Franken der bayrischen Krone 
verlorengehen könne. Von trüben Ahnungen erfüllt, war der damalige 
bayrische Ministerpräsident, Freiherr von der Pfordten, im preußischen 
Hauptquartier erschienen. Die erste Begrüßung durch den Grafen von 
Bismarck-Schönhausen war nicht geeignet, die Besorgnisse des bayrischen 
Ministers zu zexstreuen. Graf Bismarck fing damit an, Herrn von der 
Pfordten zu sagen, sein Besuch sei eigentlich ein Überfall, er habe verboten, 
ihn vorzulassen, und werde den Hauptmann, der ihm trotzdem Durchlaß 
gewährt hatte, vor ein Kriegsgericht stellen lassen. Der preußische Minister- 
präsident hatte dann Herrn von der Pfordten alle Dienste ins Gedächtnis 
zurückgerufen, die Preußen im Laufe der Zeit gerade Bayern erwies: an die 
Rettung der Selbständigkeit Bayerns durch Friedrich den Großen in jener 
Stunde, wo ein bayrischer Kurfürst, weil ihn das reiche und kultivierte 
Belgien mehr lockte als das damals ziemlich primitive Bayern, im Begriff 
stand, Bayern an Österreich zu vergeben. Graf Bismarck erinnerte auch 
daran, daß er 1866, noch kurz vor dem Kriege, Bayern ein Kondominat in 
der Weise vorgeschlagen hatte, daß Preußen in Nord- und Bayern in Süd- 
deutschland die Führung übernehmen solle. Der bayrische Ministerpräsident 
sah im Geiste schon Ansbach und Bayreuth und das herrliche Nürnberg ver- 
loren. Als nun Graf Bismarck schließlich einlenkte und dem bayrischen 
Minister erklärte, wenn Bayern sich zum Abschluß eines Schutz- und Trutz- 
Fahrt nach 
Nürnberg
	        
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