GALATAFEL IM KURHAUS 129
des Gegners im Ernstfall, unter besserer Terrainbenutzung, auch ruhiger
und langsamer stattfinden. Es käme nicht auf die Bequemlichkeit der
fürstlichen und nichtfürstlichen Manövergäste an, sondern auf die Aus-
bildung von Offizieren und Mannschaften für den Ernstfall. So insbesondere
das große Hamburger Blatt, das dem Fürsten Bismarck nahestand, dessen
Tage nun zur Neige gingen, dessen Augen aber noch scharf und besorgt
in die Zukunft blickten. In Homburg vor der Höhe, das ein Lieblings-
aufenthalt Kaiser Wilhelms II. war, der während des Deutsch-Französischen
Krieges als elfjähriger Knabe mit seiner Mutter und seinem Bruder Hein-
rich dort längere Zeit geweilt hatte, fand am 4. September 1897 die große
Paradetafel statt. Wenn der von Friedrich Rückert besungene Chidher,
der ewig junge, Zeit gefunden hätte, auf seiner Fahrt auch einmal die
lieblichen Gelände des Taunus zu durchstreifen und dabei den großen Saal
des Kurhauses von Homburg zu betreten, so würde er, der diesen Saal
gekannt hatte mit grün überzogenen langen und breiten Tischen, mit dem
eintönigen Surren der rollenden Roulettekugel und mit dem monotonen
dreifachen Ruf des Croupiers: „Faites votre jeu, messieurs! Le jeu est fait!
Rien ne va plus!“, in demselben Kasinosaal die kaiserliche Galatafel
erblickt haben, an deren Längsseite drei Königinnen saßen: die Königin
Margherita von Italien, die Kaiserin und Königin Friedrich und die
regierende deutsche Kaiserin Auguste Viktoria. Mein Platz war den Köni-
ginnen gegenüber, und der Kaiser fragte mich bei Tisch scherzend, ob ich
schon einmal vis-A-vis von drei Königinnen gesessen hätte, was ich ver-
neinte. Welcher von diesen drei Fürstinnen war im Leben das unglücklichste
Los beschieden ? Der Kaiserin Friedrich, die den edelsten Gemahl verloren
hatte und damit die Möglichkeit, die hochfliegenden Pläne und Gedanken
auszuführen, mit denen sie sich für den Fall seiner Regierung während vieler
Jahre getragen hatte? Oder der Königin Margherita, der man wenige Jahre
später ihren ritterlichen Gatten als blutüberströmte Leiche in das Schloß
zu Monza tragen sollte, in denselben Saal, in dem sie sich eine Stunde vorher
von König Humbert getrennt hatte ? Oder war es der regierenden deutschen
Kaiserin bestimmt, die unglücklichste der drei Frauen zu werden, sie, die
21 Jahre später die Niederlage des Vaterlandes und die Flucht ihres Gatten
erleben und dann in der Fremde langsam und qualvoll sterben sollte?
„Denn das Herz wird mir schwer in der Fürsten Palästen,
Wenn ich herab vom Gipfel des Glücks
Stürzen sche die Höchsten, die Besten
In der Schnelle des Augenblicks!“*
Nach Aufhebung der Tafel begegnete ich vor einer der geöffneten
Flügeltüren meinem alten und verehrten Chef aus St. Petersburg, dem
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