MEHR DORNEN ALS ROSEN 133
die Grenzen des guten Geschmacks, trug die Farben zu stark auf und vergab
seiner eigenen Würde und damit der Würde der Kaiserkrone. Wenn er dem
Prinzen Ludwig von Bayern, der ihm einen Besuch abstatten wollte, selbst
den Wagenschlag öffnete, wenn er den Expräsidenten Roosevelt am Tore
des königlichen, altehrwürdigen Berliner Schlosses empfing und ihn in
eigener Person in das für ihn bestimmte Appartement geleitete, so waren das
Übertreibungen. Dazu kam, daß Wilhelm Il. nicht selten dieselben Persön-
lichkeiten, denen er allzu stürmisch gehuldigt hatte, nicht lange nachher in
einem Anfall von schlechter Laune oder von mehr oder weniger berechtigter
Empfindlichkeit vor den Kopf stoßen konnte. Das Endergebnis war,
daß er am Schluß seiner Regierung gerade unter den Fürsten, seinen
Kollegen, wie er sie scherzhaft zu nennen liebte, keinen einzigen wirklichen
Freund besaß, daß er allen auf die Nerven ging, daß sie ihn alle im Grunde
nicht mochten. „Juvenile consilium, latens odium, privatum commodum,
haec tria omnia regna perdiderunt‘, so sprach zu den sein Sterbebett um-
stehenden Großen seines Reichs der Ungarnkönig Mathias Corvinus, der
siegreich gegen die Türken, Polen und Böhmen gekämpft, Schlesien,
Mähren und die Lausitz erobert und in Wien residiert hatte. Er hatte so-
gar, was ich ihm noch höher anrechne, denn ich bin ein passionierter Bücher-
liebhaber, in Ofen eine der reichhaltigsten Bibliotheken der Welt errichtet,
die berühmte Corvina. Die treffliche Sentenz des Ungarnkönigs hat Kaiser
Wilhelm II. leider in allen drei Richtungen verletzt. In jugendlicher Un-
besonnenheit, mit juvenile consilium, hatte er den Fürsten Bismarck, um
mit dessen eigenen bitteren Worten zu sprechen, fortgejagt wie einen un-
ehrlichen Bedienten. Den an vielen Orten, in vielen Ländern, bei vielen
Menschen gegen ihn angesammelten Haß, das latens odium, sah er nicht.
Und er war endlich subjektiv in einem Grade, wie er mir sonst nur bei
Virtuosen vorgekommen ist.
Was jenen Homburger Toast auf die Königin Margherita angeht, so war
diese kaiserliche Huldigung an und für sich wohl berechtigt. Die an Geist
und Charakter gleich bedeutende, durch Anmut wie durch Würde hervor-
ragende Königin Margherita war in der Tat eine echte Tochter des Hauses
Savoyen, das viele tapfere Ritter und staatskluge Regenten, das manche
stolze Königin, das auch von der Kirche zu Heiligen erhobene Frauen
hervorgebracht hat. Wenn nach Shakespeare König Lear „every inch a
king“ war, so konnte von der Gemahlin des Königs Humbert gesagt wer-
den, daß sie jeder Zoll eine Königin war. In einer Unterredung, die sie in
Homburg vor der Höhe mit mir führte, hatte ich geäußert, daß die mir in
Berlin bevorstehende Aufgabe im Gegensatz zu meiner Tätigkeit im Pal-
lazzo Caffarelli mehr Dornen als Rosen böte. Mit Bezug hierauf über-
sandte mir die Königin am nächsten Tage einige in deutscher Sprache