Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DER RESERVIERTE MARCHESE 135 
daß Mailand beschloß, dem Neffen des großen Korsen, Napoleon III., ein 
Reiterdenkmal vor dem herrlichen Dom zu errichten, den ein Deutscher, 
Meister Heinrich Arler von Gmünd, erbaute. Doch mit des Geschickes 
Mächten ist nun einmal selten ein längerer Bund zu flechten. Als Napo- 
leon III., elf Jahre nach Magenta, bei Sedan die Schlacht und mit ihr seine 
Krone verlor, war sein Monument gerade fertig geworden. Es kam nie zur 
Aufstellung und steht, wenn ich mich nicht irre, noch heute in einem 
Mailänder Schuppen. 
Aber trotz aller Discrimina rerum blieben die Sympathien für 
Frankreich in Mailand lebendig. Emilio Visconti-Venosta hat sich nie 
von ihnen befreit. In jener Zeit, wo er noch republikanischen An- 
schauungen huldigte, hatte er als Privatsekretär von Mazzini mehr als ein- 
mal in geheimem Auftrag des großen Verschwörers Paris besucht. Als 
Minister erschien er mehrfach am Tuilerienhof, während Napoleon III. und 
die Kaiserin Eugenie dort residierten. Nach Paris zog es ihn noch, als 
Italien sich dem Dreibund zuwandte. Nur ungern und unter dem Einfluß 
des damaligen Ministerpräsidenten Marco Mingbhetti begleitete Visconti als 
Minister des Äußeren 1873 den König Viktor Emanuel II. nach Berlin, wo 
er dem Fürsten Bismarck durch seine allzu reservierte Art ebenso mißfiel, 
wie ihm der freimütige, bei aller Klugheit durch und durch loyale und edle 
Minghetti gefiel. 
Unsere Taunus-Fahrt führte Visconti und mich im September 1897 auf 
den besten Chausseen der Welt, die unsere an schlechtere Landstraßen 
gewöhnten italienischen Gäste in Erstaunen setzten, durch freundliche, 
reiche Dörfer, vorüber an reizenden Villen, an saftigen Wiesen, an langen 
Reihen prächtiger Obstbäume. Wie ein Garten war das Land zu schauen. 
Ich konnte beobachten, wie die anfängliche Gleichgültigkeit des italieni- 
schen Ministers mehr und mehr in Erstaunen, ja in Bewunderung überging. 
„Que ce pays est beau, qu’ il est riche! Quel bien-&tre! Comme tout est bien 
tenu! Quel ordre, quelle propret£. Tout respire le travail, le bien-Etre. Ah, 
vous €tes un grand pays, un pays bien gouverne.““ Ich selbst hatte meine 
erste Jugend in dieser Gegend verlebt. Auch ich war erstaunt über die in- 
zwischen gemachten Fortschritte. Um so erstaunter, als ich, seit ich von 
Frankfurt und dem Taunus schied, die größere Hälfte meines Lebens im 
Ausland verbracht hatte. Wie schön war damals Deutschland! In meinem 
Innern erklangen die Worte, die in der ersten Blüte- und Glanzzeit des 
deutschen Volkes, in der Hohenstaufenzeit, unser Walther von der Vogel- 
weide gesungen hatte, daß kein Land über Deutschland gehe. Und wie hatte 
sich unter preußischer Verwaltung Frankfurt entwickelt! Aus dem gemüt- 
lichen und behaglichen, aber doch ein wenig krähwinkligen Frankfurt der 
Bundestags- und Biedermeierzeit war eine der reichsten, lebendigsten,
	        
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