Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

KONTINENTALSPERRE GEGEN AMERIKA UND ENGLAND 139 
sagen, daß, wer von den Herren Meinen Befehlen nicht gehorchen wolle 
und meine Politik nicht billige, derselbe augenblicks sich davonzutrollen 
habe. Es sei endlich Zeit, daß das Kulissentreiben auflöre und Gehorsam 
gegen den einmal ausgesprochenen Königswillen gehalten werde. Wie es 
Friedrich der Große vor der Schlacht von Leuthen von seinen Generälen 
auch verlangte! 
Was die Gesetzgebung, den Umsturz betreffend, angeht, so habe ich 
bereits meine Absicht dahin ausgesprochen, daß wir viel eher zum Ziele 
kommen, wenn wir durch schwere Strafen vom Streik, Boykott etc. ab- 
schrecken, zugleich den willigen Arbeiter gegen gewaltsame Arbeitshin- 
derung schützen, als durch ein sogenanntes Sozialistengesetz, d.h. eine 
Verschärfung des Strafgesetzbuches, indem alle Taten, welche die Sozia- 
listen jetzt ungestraft verüben, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren 
belohnt werden. Das wird sehr bald ziehen. Denn keiner geht ins Zuchthaus, 
da dadurch der Nimbus doch sehr leidet. Bernhard teilt meine Ansicht 
vollkommen. 
Der Besuch in Rußland ist über alles Erwarten hinaus gut verlaufen, 
und habe ich mich in mehreren eingehenden Privatgesprächen vollkom- 
men über alle großen politischen Fragen mit Nicky geeinigt, so daß wir 
beiden sozusagen über die Welt disponiert haben! Eine Rückgabe der 
Reichslande an Frankreich mit russischer Hilfe ist absolut, glatter- 
dings ausgeschlossen. Daher ein Krieg zwischen Gallien und uns, und 
Rußland und uns, so Gott will,nicht mehr zu befürchten. Die Kontinen- 
talsperre gegen Amerika und eventuell England ist beschlossene 
Sache. Rußland hat sich verpflichtet, Frankreich dazu bon gre&, mal 
gr& mitzubringen. An Dir wird es liegen, Wien von London zu trennen! 
Nicky und ich sind als innig, sich zärtlich liebende und absolut auf ein- 
ander bauende Freunde wieder geschieden; und sind augenblicklich unsere 
Beziehungen so, wie sie unter Bismarck nie, vielleicht in der allerersten 
Zeit zwischen Nikolaus I. und Großpapa gewesen sind. Bernhard hat sich 
vorzüglich gemacht, und adoriere ich ihn! Mein Gott! Welch ein Unter- 
schied mit dem süddeutschen Hochverräter! Welche Freude, mit jemand 
zu tun zu haben, der einem mit Leib und Seele ergeben ist und einen auch 
verstehen will und kann. Kiderlen hat ausgespielt, nachdem er versucht 
hat, durch absichtlich auf der Nordlandreise liegengelassene Depeschen, 
den Gouverneur von Kreta betreffend, Bernhard bei mir hineinzulegen! 
Und uns mit Goluchowski zu entzweien! Doux pays! Auswärtiges Amt 
arbeitet mit Dampfüberdruck, geht spanischen Tritt und mit Grundeis vor 
Bernhard, tant mieux. Wilhelm I. R.“ 
Als ich diesen Brief las, begriff ich, daß Fürst Hohenlohe schon zweimal, 
seitdem ich ihm als Minister des Äußeren zur Seite getreten war, ruhig und
	        
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