DER K. UND K. BOTSCHATTER 143
reichischer Botschafter war 1897, und sollte es bis zum Ausbruch des Welt-
kriegs bleiben, Herr von, später Graf Ladislaus Szögyenyi-Marich, damals
schon an sechzig Jahre alt, früher ungarischer Minister am Königlichen
Hoflager, vorher erster Sektionschef im gemeinsamen Ministerium des
Äußeren, Vlies-Ritter wie sein Vater, der eine große Rolle in der Politik
seiner engeren Heimat Ungarn gespielt hatte, während der Sohn sich be-
reits in jungen Jahren dem auswärtigen Dienst des Gesamtstaats zuwandte.
Graf Ladislaus Szögyenyi war ein vortrefflicher Mann mit kleinen Eigen-
heiten und großen Eigenschaften. Er war durch und durch zuverlässig, ein
patriotischer Magyar, der aber einsah, daß Ungarn im eigenen Interesse
nichts Besseres tun könne, als im Geiste von Andrässy und Franz Deäk an
der Verbindung mit Österreich festzuhalten, an der gemeinsamen aus-
wärtigen Politik und an der gemeinsamen Armee. Die Aufrechterhaltung
der von Bismarck mit Andrässy ins Leben gerufenen Allianz war ihm nicht
nur Verstandes-, sondern auch Herzenssache. Er sah aber vollständig ein,
daß in diesem Bündnisverhältnis Deutschland die Führung gebühre, und
zwar auch im eigensten Interesse der schwächeren und in sich zerklüfteten
österreichisch-ungarischen Monarchie. Er fand meinen Standpunkt ganz
in der Ordnung, den ich ihm mehr als einmal dahin zusammenfaßte:
Deutschland dürfe und werde Österreich-Ungarn nicht preisgeben, es
werde sich aber andererseits durch die Donaumonarchie auch nicht in
einen unter allen Umständen bedenklichen Krieg mit Rußland hinein-
ziehen lassen. Szögyenyi hat mir mehr als einmal spontan gesagt, er
bedauere auch von seinem Standpunkt aus, daß Caprivi, Holstein und
Marschall die Erneuerung des Rückversicherungsvertrages so schroff und
unter unerquicklichen Begleitumständen abgelehnt hätten. „Dieser Ver-
trag lag auch in österreichiscl hem Interesse, denn seine Existenz
verhinderte uns, Dummbheiten zu , machen, zu denen in Wien wie in Pest
immer eine gewisse Neigung besteht.“ Es war kein Glück, daß Graf
Szögyenyi im Sommer des unseligen Jahres 1914, unter dem Vorwand,
daß der in Wirklichkeit körperlich noch rüstige, geistig frische Botschafter
„zu alt“ sei, von seinem Posten enthoben und durch einen nur von höfi-
schen Erwägungen und kleinlichen Gesichtspunkten beherrschten, dabei
leichtsinnigen und oberflächlichen „Kavalier“, den Prinzen Gottfried
Hohenlohe, ersetzt wurde. Der neue Botschafter forcierte, schon um nicht
wegen seiner reichsdeutschen Herkunft den Wiener Hof- und Adelskreisen
verdächtig zu werden, in seinen Berichten die schwarz-gelbe Note. Anderer-
seits war er durch seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu manchen
maßgebenden Berliner Persönlichkeiten, insbesondere zu dem eitlen und
geschwätzigen Hofmarschall Reischach, mehr als andere österreichische
Diplomaten in der Lage, die österreichischen Interessen auf Kosten der