X KAPITEL
Der spanisch-amerikanische Konflikt » Stellungnahme Wilhelms II. zu nuswärtigen
Komplikationen - Reise nach Budapest zu den dortigen Herbstmanövern (18. IX.
1897) - Audienz bei Kaiser Franz Josef « Die innerpolitischen ungarischen Verhältnisse
Ungarische Grafen und Stantsmänner
ls ich in den ersten Septembertagen 1897 in Berlin eintraf, standen zwei
Fragen im Vordergrund: die drohende Gefahr eines Konflikts zwischen
Spanien und den Vereinigten Staaten und die Nachwehen des Krieges
zwischen der Türkei und Griechenland. In der einen wie in der anderen
Richtung hatte sich Wilhelm II. bereits eine bestimmte Meinung gebildet.
Vorgänge, die kriegerische Zusammenstöße zwischen fremden Staaten
vorzubereiten schienen, wirkten auf seinen lebhaften und phantasievollen
Geist mit besonderer Stärke. Es war bei ihm nicht der egoistische Stand-
punkt des Bürgers im „Faust“:
„Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit in der Türkei,
Die Völker aufeinanderschlagen.“
Noch weniger war es die macchiavellistische Erwägung des: Duobus
litigantibus tertius gaudet. Kaiser Wilhelm II. verfolgte Kriege anderer
mit der Spannung eines Theaterbesuchers, vor dessen Augen sich ein Stück
abspielt, das ihn auf das lebhafteste interessiert, bei dem er sich aber unbe-
teiligt weiß. Er reservierte sich nur das Recht der Kritik und, als Kaiser, das
Privileg, nach Gutdünken nach dieser oder jener Seite Kränze auszuteilen.
Er konnte, wenn ausländische Kriege drohten, kaum erwarten, daß der
Vorhang aufging. Gegenüber dem sich vorbereitenden spanisch-amerika-
nischen Kriege standen seine Sympathien ganz auf spanischer Seite, schon
weil Spanien eine Monarchie und Amerika eine Republik war. Er fand, daß
es Pflicht der europäischen Souveräne wäre, die Königin-Regentin Chri-
stine von Spanien, „unsere brave Kollegin“, nicht im Stich zu lassen. Ich
sorgte deshalb nach Möglichkeit dafür, daß sich der Kaiser bei seinem
Mitte September bevorstehenden Besuch in Budapest nicht allzusehr im
10°
Internationale
Konflikte