EIN INTIMUS 153
Josef ging zur Jagd in demselben einfachen Anzug wie jeder österreichische
Kavalier. Die Sprechweise des Deutschen Kaisers war, was der Franzose
„saccade“‘ nennt, ruck- und stoßweise, die des österreichischen Kaisers
gemessen, gleichmäßig, monoton, beinahe einschläfernd. Der Deutsche
Kaiser vergaß innerlich nie seine hohe Stellung, aber er wurde mit den
Menschen, die ihm sympathisch waren, leicht familiär, was bisweilen zu
Rückschlägen führte. Er duzte alle deutschen Prinzen, nicht nur die An-
gehörigen souveräner Häuser, sondern auch die aus nichtsouveränen Fa-
milien. Kaiser Franz Josef gewährte das „Du“ nur seinen nächsten Ver-
wandten und den Prinzen seines Hauses. Der Gedanke, jeden Lobkowitz
oder Esterhäzy zu duzen, wäre ihm für beide Teile geschmacklos erschienen.
Ich erwähne hierbei, daß Kaiser Wilhelm mich nie Du genannt hat,
wie vielfach erzählt und geglaubt wurde. Es war mir das übrigens sehr er-
wünscht. Es ist für die Geschäfte nicht nützlich, wenn ein Minister mit
seinem Souverän auf zu familiärem Fuß steht. Der Engländer sagt:
„Familiarity breaths contempt.“‘ Eine zu große Familiarität verleitet leicht
den Souverän dazu, seine Minister nicht mehr au serieux zu nehmen oder
gar schlecht zu behandeln, während sie den Minister dazu verführt, in
seinem Souverän nicht mehr das Oberhaupt des Landes zu sehen, für dessen
Wohl er verantwortlich ist, sondern einen ihm persönlich nahestehenden
Freund, den man nicht verstimmen oder ärgern mag. Wilhelm II. hatte
in der zweiten Hälfte seiner Regierung eine große Vorliebe für den Fürsten
Max Egon Fürstenberg, der durch Erbschaft auch in Baden ansässig, aber
von Geburt, durch sein Wesen, seine Traditionen und Neigungen ganz
Österreicher war. Er besuchte Fürstenberg jedes Jahr, nahm ihn auf Reisen
mit und, ähnlich wie den Earl of Lonsdale, auch auf die deutschen Manöver.
Der Deutsche Kaiser hatte keine Geheimnisse vor dem Österreicher Fürsten-
berg, weder persönliche noch politische, er zeigte diesem selbst sekrete
Berichte, schimpfte vor ihm über seine eigenen Minister und über fremde
Potentaten, ließ sich völlig vor ihm gehen. Kaiser Franz Josef begriff
solche Intimitäten nicht. „Ich kann mich nicht genug darüber wundern“,
bemerkte er zu einem anderen österreichischen Fürsten, der es mir wieder-
erzählte, „daß der Deutsche Kaiser ein solches Wesen aus dem Max
Fürstenberg macht, der doch gar nichts gelernt hat und dem jeder Ernst
fehlt. Warum er sich nur den Max Fürstenberg zu seinem Spezi ausgesucht
hat? Nun, mir kann es recht sein.“ Die Intimität zwischen dem Kaiser und
Max Fürstenberg konnte dem Kaiser Franz Josef auch wirklich nur recht
sein, denn Fürstenberg bemühte sich, soweit sein Verstand und seine Ge-
schicklichkeit reichten, am preußischen Hofe die österreichischen Inter-
essen zu fördern. Er hat dadurch unsere Beziehungen zu Rußland, auch zu
Italien wiederholt ungünstig beeinflußt. Der österreichisch-ungarische
Max Egon
Fürstenberg