FRAU KATHARINA SCHRATT 157
Die Späße und Kalauer seines deutschen Kollegen erschienen ihm vulgär,
dessen ganze Art nicht wirklich vornehm. Da Wilhelm II. bei glänzender
Begabung Flair und Takt abgingen, so merkte er nicht, daß bei dem
zwischen den beiden Monarchen bestehenden Altersunterschied eine größere
Reserve von seiner Seite den alten Kaiser wohltuend berührt hätte, daß
es diesem lieber gewesen sein würde, wenn der Deutsche Kaiser nicht gar zu
häufig an der schönen blauen Donau erschienen wäre. Franz Josef war
Mensch nur in seinem Verhältnis zu Frau Katharina Schratt. Ich füge
sogleich hinzu, daß es sich um ein rein freundschaftliches Verhältnis
handelte. Frau Schratt war nicht nur eine begabte Schauspielerin, sondern
auch eine liebenswürdige und behagliche Frau, heiter, graziös, vor allem
natürlich, wie es die Wienerinnen sind. Sie hielt sich der Politik völlig fern,
was die strebsamen Gesandten kleinerer Staaten in Wien ‚nicht abhielt,
ihr eifrig zu hofieren und ihr harmloses Geplausch gewissenhaft und wichtig
nach München und Dresden zu melden. Frau Schratt stand in den aller-
besten Beziehungen zur Kaiserin Elisabeth, die aufrichtig erfreut war,
daß ihr hoher Gemahl im Verkehr mit Kathi Beruhigung und Trost für
die Widerwärtigkeiten der Politik und die furchtbaren Prüfungen in seiner
Familie fand. Der Kaiser nannte Frau Schratt in seinen Briefen an sie
„hochverehrte, gnädigste Frau.“ In ihrem Salon hing ein großes Bild der
Kaiserin Elisabeth, das diese der Freundin des Kaisers geschenkt hatte.
Der Kaiser liebte es, mit Frau Schratt Tarock zu spielen, ein in den Donau-
ländern populäres Kartenspiel. Der Dritte bei diesem Tarock war ein treff-
licher Ministerialbeamter, der Schulz hieß. Als eine der Töchter des Kaisers,
die übrigens wie ihre Mutter für Frau Schratt schwärnite, ihren Vater darauf
aufmerksam machte, es sei vielleicht nicht ganz in der Ordnung, daß er mit
einem Herrn Schulz Karten spiele, wurde diesem die Exzellenz verliehen
und so die schwierige Angelegenheit im Geiste der Hofburg glänzend er-
ledigt. Wie er war, war Kaiser Franz Josef der letzte österreichische Kaiser
und würdig, der Letzte dieser langen Reihe zu sein. Es wäre eine Beleidi-
gung für das alte Kaiserhaus, wenn man Kaiser Karl als den letzten der
Kaiser aus dem Hause Habsburg bezeichnen wollte. Dieser Ephialtes unter
den Fürsten, der verlogen, feige und verräterisch zum Feinde überging
und seinen Bundesgenossen verriet, der sich (leider durch Österreich) in den
furchtbarsten aller Kriege hatte verstricken lassen, war ein Schandfleck
in der Geschichte Habsburgs und Österreichs. Als ihr Schlußpunkt soll
und darf er nicht gelten.
Das Haus Habsburg hat am deutschen Volk viel, sehr viel gesündigt.
Seine falsche Politik hat die Schweiz, hat Holland vom Reiche abgestoßen.
Die Ferdinandeische Politik der Gegenreformation führte den Dreißig-
jährigen Krieg herbei, das größte Unglück, das Deutschland vor dem Welt-