DIE ERZHERZÖGE 167
krieges sagte mir ein dem Wiener Hofe nahestehender, mirseitlangen Jahren
befreundeter österreichischer Aristokrat, die besten Stunden, die der alte
Kaiser seit dem Beginn des Krieges gehabt habe, wären die gewesen, wo
er hörte oder las, daß auch die „Preißen‘ einmal eine Schlappe erlitten
hätten.
Nach der Paradetafel vom 21. September 1897 fand ein langer Cercle
statt. Die große Zahl der Erzherzöge fiel mir auf. Sie machten, was der
Franzose nennt, „tapisserie“, d. h. sie standen, meist mit ziemlich ein-
fältigen Gesichtern und ganz gleichgültigem Ausdruck, einer neben dem
anderen längs der Wand. Durch sein energisches Gesicht und seine männ-
liche Haltung fiel mir nur Erzherzog Franz Ferdinand auf. Wohl lag in
seinen Augen etwas von dem bösen, ja grausamen Ausdruck seines Groß-
vaters mütterlicher Seite, des vorletzten Königs beider Sizilien, des berüch-
tigten Königs Ferdinand II., den die Italiener wegen des von ihm angeord-
neten Bombardements seiner eigenen Stadt Messina „Re Bomba‘“‘ nannten.
Der Gesamteindruck, den ich von dem präsumtiven Thronerben hatte,
war doch der, daß er an Willenskraft und Verstand kein gewöhnlicher
Mensch sei. Eine mir seit vielen Jahren befreundete und intelligente
österreichische Fürstin — nebenbei gesagt ganz schwarz-gelb gesinnt —
sagte mir einmal: „Ein Habsburger muß immer in den alten Geleisen blei-
ben, sonst endigt er schlecht. Die beiden einzigen über das Mittelmaß
hinausreichenden österreichischen Souveräne Karl V. und Josef II.
starben, der eine im Kloster von St. Just, der andere an gebrochenem
Herzen. Der geistvolle Kronprinz Rudolf brachte sich selbst um, der phan-
tastische Kaiser Maximilian wurde in Mexiko erschossen, der hochbegabte
Johann Orth wurde von den Wellen bei Kap Horn verschlungen.“ Die
Fürstin schloß mit den Worten: „Darum sollen die Herren Erzherzöge
nur hübsch in den alten Bahnen bleiben. Für sie gilt doppelt der schöne
Vers, den Nestroy in der Metternich-Zeit auf Österreich prägte:
Wenn einer alles kann,
Stellen’s ihn erst recht net an.
Das muß einen antreiben,
Ein Esel zu bleiben.“
Übrigens konnte der alte Kaiser seinen Neffen und Erben, den Erz-
herzog Franz Ferdinand, nicht ausstehen. Es war begreiflich, daß er den
Neffen nicht mochte, der an den Platz seines von ihm zärtlich geliebten
einzigen Sohnes getreten war. Die morganatische Heirat des Neffen sollte
diese Abneigung noch verschärfen.
Nach Aufhebung der Tafelließ KaiserWilhelm seinen BotschafterinWien,
den Grafen Philipp Eulenburg, und mich zu sich in sein Appartement
Franz
Ferdinand