CÄSARENTHEATER 171
geändert, und neue Ziele sind gesteckt. Aber der Geist und die vornehme
Methode, die früher die Leitung des Auswärtigen Amtes gekennzeichnet
haben, werden immer die besten bleiben.“
Wiesbaden und Homburg waren dem Kaiser auch deshalb besonders
lieb, weil sie ihm die Möglichkeit zu häufigen Besuchen der Saalburg boten.
Dieses römische Grenzkastell im Taunus war im 2. und 3. Jahrhundert
nach Christus der Standort der zweiten Kohorte der Räther gewesen, denen
der ehrenvolle Beiname „‚cives Romani“ verlichen worden war. In den
rückwärtigen Standquartieren waren die VIII. und die XXIII. Legion
untergebracht gewesen, einschließlich mehrerer Kohorten von Hilfstruppen.
Schon in meiner Kindheit, in den fünfziger Jahren, wurde dort „gebuddelt“,
wie man es nannte. Seit den siebziger Jahren wurden unter der Leitung des
trefflichen Baurats Jacobi, des späteren Direktors des Saalburgmuseums
in Homburg v. d. Höhe, planmäßige Ausgrabungsarbeiten vorgenommen,
für die sich Wilhelm II. auf das lebhafteste interessierte. Die Geschichte
der römischen Kaiser übte eine starke Anziehungskraft auf ihn aus. Der
Subjektivität seines Wesens entsprechend war er überzeugt, daß eine Ver-
herrlichung der römischen Kaiser günstig auf die Stellung jetzt regierender
Monarchen einwirken müsse. Er war der Ansicht, daß die Lehrerschaft zu
sehr geneigt wäre, die Helden der römischen Republik, Marcus Porcius Cato
und Marcus Junius Brutus, die Brüder Tiberius und Gajus Gracchus, auf
Kosten der Imperatoren zu verherrlichen. Dem sollte durch möglichste
Hervorhebung der Verdienste der römischen Kaiser entgegengewirkt wer-
den. Denn die großen Männer des republikanischen Rom erschienen Wil-
helm II. nun einmal im Lichte neuzeitlicher Freisinniger oder gar als fluch-
würdige Attentäter. Einige Tage vor meiner Ankunft in Wiesbaden hatte
der Kaiser in der Saalburg, gewissermaßen als Ouvertüre für die nun
beginnenden Restaurationsarbeiten großen Stils, mit der Wiesbadener
Theatertruppe, die zu diesem Zweck, Schauspieler und Statisten, in alt-
römische Kostüme gesteckt wurde und als Legionäre und Liktoren,
Centurionen und Präfekten figurierte, ein Huldigungsfest veranstalten
lassen, bei dem die Vertreter des alten, seit fast zweitausend Jahren im
Meer der Ewigkeit versunkenen Römischen Reichs dem Beherrscher des
neuen und mächtigen Deutschen Reichs ihre Verehrung bezeigen sollten.
Die Theatralik dieser Veranstaltung hatte sogar ältere Hofdamen entsetzt.
Solche kleine Episoden zogen rasch vorüber und durften sich nur nicht
zu sehr häufen. Ernster war dagegen, daß der Kaiser in seiner plötzlich
erwachten Vorliebe für die Cäsaren des alten Rom auf den Gedanken
verhel, den geschichtlichen Unterricht der Gymnasien auf diese seine Vor-
liebe einstellen zu lassen. Er hatte schon früher dem Kultusminister Bosse,
einem hervorragend gewissenhaften, tüchtigen und verdienten Beamten,
Die Saalburg