176 PHILIPP EULENBURG SEUFZT
mit Lucanus und Philipp Eulenburg. Ich verhehlte beiden Herren meine
Eindrücke nicht. „In diesem großen und schönen Theatersaal“, sagte ich
ihnen, „ist, wie wir alle drei wissen, außer dem Kaiser kein Mensch, der
dieses Stück nicht abgeschmackt und albern fände. Und der Kaiser klatscht
begeistert Beifall! Ich finde das unheimlich.“ Lucanus lächelte in seiner
nüchternen Art. „Natürlich haben Eure Exzellenz ganz recht. Aber das
Publikum jubelt, wenn es den Kaiser sieht und die Fanfarenklänge hört, die
ihn ankündigen, das Stück ist dem Publikum völlig gleichgültig. Und was
Seine Majestät angeht, so ist es besser, er treibt solche kindlichen Spiele, als
wenn er Eurer Exzellenz in Ihre Politik hineinpfuscht.““ Eulenburg meinte
seufzend: „Und während hier solche Schmarren aufgeführt werden, will
mein geliebter Kaiser nicht den Befehl geben, daß mein wundervolles
Drama ‚Der Seestern‘, das schon vor Jahren mit dem größten Beifall auf-
geführt wurde, endlich wieder auf den Spielplan gesetzt wird.“ Im Foyer
irrte der Dichter Joseph Lauff umher, der als Lohn für sein Stück den
Charakter als Major erhalten hatte und Glückwünsche zu dieser Auszeich-
nung entgegennahm. Der „Burggraf“ wurde in Wiesbaden nur gegeben,
solange der Hof dort weilte. Später wurde er auch in Berlin im Königlichen
Schauspielhaus in Szene gesetzt, an zwei Tagen mit Hofansage, durch
welche die Hofgesellschaft zum Besuch des „Burggrafen‘“ genötigt wurde.
Sobald die Hofansage wegfiel, fanden sich keine Besucher mehr ein, und
der „Burggraf‘ verschwand in jenen Orkus, in dem die kläglichen Schatten
dramatischer Fehlgeburten umherirren.
Das Seitenstück zum Dramatiker Lauff war der Maler Hermann
Knackfuß, mit Palette und Pinsel ein ebenso großer oder vielmehr kleiner
Stümper wie Lauff auf dem Pegasus. Ich glaube, daß wenig Dinge Wil-
helm II. bei dem gebildeten Teil des deutschen Volkes mehr geschadet haben
als seine einseitige, oft blinde, fast immer unduldsame Stellungnahme zu
künstlerischen Fragen, die nun einmal dem Deutschen seit jeher ernst am
Herzen liegen, als die kaiserliche Vorliebe für Maler, die sich auf die Her-
stellung kolorierter Bilderbogen hätten beschränken sollen, deren jämmer-
liche Produkte aber nie und nimmer in die Königlichen Museen und Gale-
rien gehörten, für Dichter, die keine der neun Musen je auf die Stirn küßte.
Nachdem ich mit Seiner Majestät über diesen Gegenstand schon einige
Auseinandersetzungen gehabt hatte, die deshalb unerquicklich waren, weil
der Kaiser jede Einmischung in seine persönlichen Liebhabereien begreif-
licherweise übler nahm als Widerspruch in politischen Fragen, mußte ich
im November 1908 wiederum darauf hinweisen, daß die allmählich immer
höher gestiegene Flut gegen das persönliche Regiment nicht zum geringsten
Teil auf das autokratische Eingreifen in rein literarische und ästhetische An-
gelegenheiten zurückzuführen wäre. Namentlich der Fall Tschudi und die