Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Besuch bei 
Hohenlohe 
178 LEDA IN SCHILLINGSFÜRST 
bleibt man am besten drei Vierteltakte zurück. Das rate ich dir in dem 
Augenblick, wo du dich auf ein gefährliches Terrain begibst.“ 
Während des Abendessens bei meinem Bruder erhielt ich ein chiffriertes 
Telegramm, aus dessen Entzifferung ich ersah, daß in der Hauptstadt von 
Haiti, in Port-au-Prince, der deutsche Kaufmann Lüders widerrechtlich 
verhaftet und unter falschem Vorwand mehrere Wochen im Gefängnis 
zurückgehalten worden war. Unser noch jugendlicher Vertreter, Graf 
Ulrich Schwerin, hatte sich fest und dabei umsichtig benommen. Sein 
Protest war von seinem nordamerikanischen Kollegen, mit dem er in guten 
Beziehungen stand, unterstützt worden. Ich wies Berlin sogleich an, von 
der Regierung der Negerrepublik Entschädigung und Genugtuung zu ver- 
langen und dieser Forderung nötigenfalls durch Entsendung von Kriegs- 
schiffen Nachdruck zu geben. So unbeträchtlich dieser Zwischenfall an 
und für sich war, so bot er doch oflenbar ein brauchbares Argument für die 
Notwendigkeit unserer Flottenforderung. 
Am nächsten Morgen fuhr ich von Frankfurt a. M. nach Schillingsfürst, 
wo ich mich beim Fürsten Hohenlohe zum Vortrag angemeldet hatte. 
Mein Bruder Adolf brachte mich zum Bahnhof. Es war das letztemal, daß 
ich ihn in diesem Leben sah. Schillingsfürst, der Stammsitz des damaligen 
Reichskanzlers, liegt wie viele fränkische Schlösser auf einer kleinen An- 
höhe mit weitem Rundblick auf die fruchtbare Gegend. Die Räume des 
Schlosses machten einen stattlichen, aber keineswegs besonders kom- 
fortablen Eindruck. Der Fürst legte wenig Wert auf die äußeren Annehm- 
lichkeiten des Lebens. Er hat nie eine Chaiselongue benutzt, wasich übrigens 
auch von mir sagen kann. Als Fürst Hohenlohe während seiner Pariser 
Botschafterzeit von nicht ungefährlichen Herzbeklemmungen heimgesucht 
wurde und der Arzt ihm tägliches längeres Ausruhen auf einem Sofa drin- 
gend anriet, machte er die ihm vorgeschriebene Liegekur auf drei harten 
Rohrstühlen durch. Die Fürstin, die lieber auf der Bärenjagd als im Salon 
weilte, legte erst recht gar keinen Wert auf Bequemlichkeit. Als der Fürst 
mich in mein Zimmer führte, machte er mich im Treppenhaus auf ein 
Basrelief aufmerksam, das in sehr realistischer Darstellung Leda mit dem 
Schwan wiedergab. Dabei erzählte er mir, daß einige Jahre früher sein 
Bruder, der Kardinal Gustav Hohenlohe, sich zum Besuch in Schillings- 
fürst angemeldet und dabei mitgeteilt habe, er werde von einem schr 
distinguierten römischen Prälaten begleitet. In Schillingsfürst habe man 
sich überlegt, ob das Basrelief nicht besser verdeckt werden solle, aber 
nicht recht gewußt wie. Der Kardinal sei erschienen und wäre an dem 
gefährlichen Gegenstand vorbeigegangen, ohne ihn zu bemerken. Der 
Monsignore blieb sofort vor dem Basrelief stehen. Die fürstlichen Damen 
gerieten in einige Verlegenheit. Der Monsignore musterte nachdenklich und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.