KAISERIN FRIEDRICH VERBITTERT 189
denn die Zeit müsse kommen, wo bei noch verschärfter deutsch-englischer
Handelskonkurrenz die deutschen Firmen in den englischen Niederlassungen
nicht mehr ihres Bleibens finden und ihre Übersiedlung auf deutschen
Grund und Boden suchen müßten. Ferner sei es absolut notwendig, die
deutsche Handelsflagge auf dem Yangtse bis tief landeinwärts häufig
zu zeigen. Die deutschen Postdampfer müßten hierzu staatlicherseits ge-
zwungen werden. Der Admiral bat mich ausdrücklich, Eurer Exzellenz
seine vorstehenden Ideen zur Kenntnis zu bringen, und fügte hinzu, er
habe speziell über die amerikanische Angelegenheit eingehendere Aus-
arbeitungen anfertigen lassen, in die Eure Exzellenz, wenn Sie es wünschten,
gelegentlich Einsicht nehmen könnten.
Klehmet
In jenen entscheidungsvollen Tagen, die auf die Entsendung unseres
Kreuzergeschwaders nach Ostasien folgten, besuchte die Kaiserin Friedrich
meine Frau, bei der ich gerade weilte. Sie las mir einen Brief ihres ältesten
Bruders, des Prinzen von Wales, vor, der sich mit der deutschen Flotten-
vorlage und der Entsendung deutscher Kriegsschiffe nach Kiautschou
beschäftigte. Die auf eine stolze, erfolgreiche Geschichte und die ge-
sicherte insulare Lage des Landes gestützte Herrennatur des Engländers
trat in diesem Brief mit naiver Unbefangenheit zutage- Deutschland habe
eine gute Armee, das müsse ihm genügen. Das Meer gehöre England.
Insbesondere in Ostasien hätten die Deutschen nichts zu suchen. In Eng-
land bestände ohnehin und nicht ohne Grund viel „ill-feeling“ gegenüber
Deutschland, das wirtschaftlich mehr und mehr für England zu einem
Konkurrenten würde, der unbequemer sei als Frankreich.
Es ist möglich, daß die Kaiserin Friedrich in verantwortungsvoller
Stellung, d. h. als Gemahlin eines nicht todkranken, sondern gesunden
und längere Zeit regierenden Kaisers, sich allmählich mit den deutschen
Interessen mehr identifiziert und deutsche Gefühle besser gewürdigt haben
würde. Ich möchte das eigentlich annehmen, denn eine mit hoher Stellung
verbundene Verantwortlichkeit würde, zumal die steile Höhe von Gefahren
umgeben war, auf ihren eigenwilligen, aber weder oberflächlichen noch
übermütigen Sinn eine erzieherische Wirkung ausgeübt haben. Als Kaiser
würde ihr Gemahl bei aller zärtlichen Liebe für seine Frau, die ihn ihr
gegenüber bisweilen zu folgsam machte, keine Zugeständnisse auf Kosten
der Ehre seiner Krone gemacht haben, deren Hoheit und Würde sein
frommes Gemüt mit beinahe religiöser Ehrfurcht erfüllte. Als Kronprin-
zessin, als von ungeduldiger Erwartung auf den Thron verzehrte und da-
durch verärgerte Kronprinzessin und erst recht als unglückliche und ver-
bitterte Kaiserin-Witwe betrachtete Kaiserin Friedrich alle Dinge nur noch
Eduard VII.
on seine
Schwester