Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Briefe von 
Herbert 
Bismarck 
216 BISMARCKS BEFÜRCHTUNGEN 
großen Dienst geleistet haben. Sie haben Deutschlands Ansehen und die 
Bedeutung seiner Macht so wesentlich gehoben, daß die Mächte mit seiner 
wahren Kraft rechnen und ihren Wert im eigenen Interesse schätzen. Was 
man früher Allianzfähigkeit nannte, das ist nun zweifellos. Ich bin hoch- 
erfreut, daß Ihnen diese so unbedingte Anerkennung zuteil geworden ist, 
und wünsche Ihnen von Herzen fortdauernde Erfolge in freudiger Arbeit. 
Ich verbleibe in aufrichtiger Verehrung Ihr ergebener Friedrich Großherzog 
von Baden.“ 
Der von mir in der auswärtigen Politik verfolgte Kurs fand in Friedrichs- 
ruh volle Zustimmung. Nach meiner Rede vom 8. Februar 1898 über Kiaut- 
schou und Kreta, unsere Politik im fernen wie im nahen Osten schrieb der 
Schwiegersohn des Fürsten Bismarck, Graf Cuno Rantzau, aus Friedrichs- 
ruh an Herbert Bismarck, der mir diesen Brief mitteilte: „Bülow hat wirk- 
lich sehr gut gesprochen, sowohl Form als Inhalt sind ganz unangreifbar. 
Dein Vater freute sich sehr über diese Rede, wenn Du Bülow das gelegent- 
lich erzählst, so füge doch hinzu, Dein Vater hätte Lust gehabt, ihm einige 
beglückwünschende Worte zu schreiben, hätte es aber unterlassen, um sich 
nicht Mißdeutungen auszusetzen.“ Ungeachtet solcher freundlichen Aner- 
kennungen für mich sah Fürst Bismarck nach wie vor mit Sorgen in die 
Zukunft, was mir sein ältester Sohn nicht verhehlte. Herbert erzählte mir 
noch im Frühjahr 1898, er habe seinen Vater direkt gefragt, weshalb er, 
obwohl er Vertrauen zu mir habe, nach wie vor pessimistisch gestimmt wäre. 
Da habe ihm sein Vater erwidert: „Gewiß, Bülow ist ein geschickter Junge, 
und so lange er die auswärtige Politik führt, wird es gehen, der stolpert 
nicht in den Krieg. Aber früher oder später wird sich der Kaiser auch mit 
Bülow überwerfen, und dann kommt die Katastrophe.“ Der große Alte in 
Friedrichsruh besorgte seit seinem Rücktritt, daß wir uns durch Österreich 
in einen Krieg mit Rußland verwickeln lassen könnten. Er fürchtete fast 
noch mehr, daß wir uns von England gegen Rußland vorschieben lassen 
würden. 
Am 29. April 1898 schrieb mir Herbert: „Im Reichstag wurden gestern 
die bedenklichsten politischen Gerüchte kolportiert. Unsere Politik sei 
infolge einer persönlichen Schwenkung wieder ganz in Englands Schlepptau 
geraten und würde in antirussische Bahnen gedrängt werden: England 
habe uns Sansibar, Witu, Walfschbai angeboten und bei Amerika Verwen- 
dung für Samoas Überlassung versprochen, wogegen wir Transvaal ganz 
den Rücken drehen und in die Gruppierung England-Amerika gegen Ruß- 
land-Frankreich eintreten würden. Vor Jahresfrist würde mich so etwas 
nicht gewundert haben, unter dem unfähigen Kleber aus dem Breisgau war 
man auf jede Überraschung gefaßt. Gestern habe ich aber den Kolporteuren 
dieser Tatarennachricht energisch widersprochen, da ich nicht glaube, daß
	        
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