Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DER JUNGE HELFFERICH 219 
sailles für den Fürsten Bismarck ein in französischer Sprache erscheinendes 
Blatt, das für uns Propaganda machte, überwarf sich aber später mit dem 
Fürsten, mit dem er im Reichstag Auseinandersetzungen hatte, die von 
seiner Seite mit spitzem Florett, vom Fürsten zu sehr mit Keulenschlägen 
geführt wurden. Ludwig Bamberger war ein kenntnisreicher Mann mit den 
besten Formen, ein feiner Verstand. Damals schon kränklich, ging er in den 
dunklen Herbsttagen bisweilen, auf meinen Arm gestützt, um die Rousseau- 
Insel und um den Goldfischteich im Tiergarten. Eines Tages sagte er 
mir: „Sie haben in Ihrer Kolonialabteilung einen Anfänger, für den ich 
mich interessiere. Sein Vater ist Vertrauensmann der Freisinnigen Partei 
in der Pfalz. Er selbst ist Demokrat und Goldwährungsmann. Aber Sie 
haben, obwohl persönlich mehr konservativ gerichtet, keine Vorurteile. 
Lassen Sie sich den jungen Helfferich kommen, er wird Ihnen nicht miß- 
fallen.“ Einige Tage später stieß ich in demselben Tiergarten, vor derselben 
Rousseau-Insel, auf den Begründer und Leiter der Deutschen Bank, den 
freisinnigen Abgeordneten Georg Siemens. Er sagte zu mir: „In der Kolo- 
nialabteilung arbeitet unter Ihnen ein junger Mann, an dem ich Interesse 
nehme. Sein Vater wirkt für unsere Partei in der Pfalz, er selbst steht poli- 
tisch wie wirtschaftlich links. Aber ich glaube, Sie haben keine vorgefaßten 
Meinungen, lassen Sie sich den Jüngling einmal vorstellen, er wird Ihnen 
gefallen.“ Ich ließ mir den jungen Helflerich kommen und fand in ihm in 
der Tat einen Menschen von rascher Auffassung, sehr strebsam, sehr ambi- 
tiös, was die Franzosen „‚un arriviste““ nennen, ein Anfänger, der partout 
etwas werden will. Ich habe ihn gefördert und auch dem Kaiser vorgestellt, 
dem er zusagte. Dieser begabte Debütant sollte sich mit der Zeit nach der 
Ansicht der Politiker zu einem vorzüglichen Finanzier, nach Ansicht der 
Finanzleute zu einem Staatsmann entwickeln, er sollte ein nicht übler 
Staatssekretär des Reichsschatzamtes, ein mittelmäßiger Staatssekretär 
des Innern, ein mißglückter Gesandter in Moskau werden. Er sollte zeit- 
weise nach dem höchsten Amt im Reiche streben, er sollte endlich mit schar- 
fer und grausamer Dialektik in einem berühmten Prozeß Matthias Erz- 
berger moralisch zur Strecke bringen und sich selbst zu einer leitenden Stel- 
lung in der konservativen Partei emporschwingen. Eine Eisenbahnkata- 
strophe sollte viele Jahre später den Hoffnungen und Eintwürfen dieses 
hochbegabten Mannes ein jähes und tragisches Ende bereiten. 
Inzwischen hatten sich die Gewitterwolken, die seit Monaten über den 
spanisch-amerikanischen Beziehungen lagerten, in einem Kriegsgewitter 
entladen. Um die Perle der Antillen, Kuba, war es zum Kriege zwischen 
den Vereinigten Staaten und Spanien gekommen. Ich habe schon erwähnt, 
daß Wilhelm II. mit seinen Sympathien, und er nahm nach seiner Natur 
immer und überall mit dem Gefühl Partei, ganz auf spanischer Seite stand, 
Der spanisch- 
amerikanische 
Krieg
	        
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