Der Streit um
Lippe
222 FROSCH-MÄUSEKRIEG IN LIPPE
brauchten. Das deutsche Volk habe der tapferen und schwergeprüften
spanischen Nation den Ausdruck menschlicher Sympathie nicht verweigert,
es sei aber nie ungerecht noch blind gewesen für die tüchtigen und glän-
zenden Eigenschaften des amerikanischen Volkes und frei von jeder Vor-
eingenommenheit gegen ein Volk, das während der letzten Jahrhunderte
nirgend besseres Verständnis und gerechtere Anerkennung gefunden habe
als in Deutschland. Die Bande, welche uns mit Amerika verknüpften,
wollten wir nicht zerreißen lassen und würden wir nicht zerreißen lassen.
Unsere Politik würde die gerade Straße, die ihr das nationale Interesse und
die nationale Würde vorzeichneten, auch in Zukunft verfolgen, ohne Pro-
vokation und ohne Schwäche. Auf ein Telegramm aus Washington vom
13. Februar 1899, in dem der Botschafter von Holleben meldete, daß meine
Rede in Amerika mit großer Sympathie aufgenommen worden wäre, be-
merkte der Kaiser ad marginem: „Sie war aber auch ein Meisterstück.“
Ich kann mit Befriedigung feststellen, daß die Beziehungen zwischen uns
und den Vereinigten Staaten gute, freundschaftliche und sichere geblieben
sind, bis die Katastrophe von 1914 auch diese wertvolle Frucht langjähriger,
zu Friedrich dem Großen zurückreichender Bemühungen wegschwemmte,
Eine Angelegenheit, die zu der großen Frage der deutsch-amerika-
nischen Beziehungen sich verhielt wie die Maus zum Elefanten, der Streit
um die Nachfolge in Lippe, nahm um dieselbe Zeit die Aufmerksamkeit
in Deutschland über Gebühr in Anspruch. Nur das deutsche Volk war
imstande, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob in Detmold, einer
Stadt von noch nicht 12000 Einwohnern, der Fürst von Schaumburg-
Lippe oder der Graf von Lippe-Biesterfeld über noch nicht 160000 treue
Untertanen gebieten solle. Andererseits verstand es der Kaiser, durch fort-
gesetztes, heftiges und vor allem wenig taktvolles Eingreifen in diesen
Sukzessionsstreit, nicht nur die deutschen Fürsten, die mit wenigen Aus-
nahmen auf der Biesterfelder als auf der Seite des legitimen Rechts stan-
den, sondern auch das in Rechtsfragen empfindliche deutsche Volk immer
wieder vor den Kopf zu stoßen. Alle Eigentümlichkeiten der kaiserlichen
Natur, das ausgesprochen Persönliche im Wesen Wilhelms II., traten in
diesem Frosch-Mäusekrieg zwischen Detmold und Bückeburg hervor. Er
hatte sich mit seiner Frau Mutter nur zu oft gestritten; er war dem Wunsche
seiner Schwester, den Fürsten Alexander Battenberg zu heiraten, schroff
und heftig entgegengetreten. Nun wollte er Mutter und Schwester zeigen,
daß, wenn er zu ihrem Schutze seine kaiserliche Rechte ausstreckte, er
coüte que coüte seinen Willen durchsetze. Im Sommer 1898 hatte es sich
darum gehandelt, ob die Offiziere des in Detmold in Garnison liegenden
Bataillons dem Regenten, d.h. dem durch den Schiedsspruch des Königs
von Sachsen in Detmold eingesetzten Grafen zu Lippe-Biesterfeld, die