PIILIPP EULENBURG REIZT BISMARCK 225
auf ihn um so mehr Rücksicht nehmen würde. Daher die Wendung von der
„sicheren Garde“, die ich mir durch Vorsicht wie durch Rücksichtslosig-
keit bilden müsse. Trotz meiner langjährigen Freundschaft mit Philipp
Eulenburg bestand seit dem Sturz des Fürsten Bismarck zwischen uns
eine tiefgehende Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Entlassung des
Fürsten. Als 1890 die ersten Gerüchte über die Erschütterung der Stellung
Bismarcks durch die Welt gingen und bis nach Bukarest drangen, wo ich
Gesandter war, hatte ich an Philipp Eulenburg, der damals schon der Ver-
traute, Freund und Ratgeber des Kaisers war, einen seinerzeit von mir
wiedergegebenen, sehr ernsten Brief geschrieben, in dem ich ihn vor den
unüberschbaren Folgen einer Wendung der Krone gegen den größten
Minister warnte, den Preußen je gehabt habe. Mein Brief blieb ohne Wir-
kung. Bismarck wurde entlassen. Ich nahm seitdem jeden Anlaß wahr, um
Eulenburg klarzumachen, daß die Behandlung, die der Kaiser aus eigener
Unbesonnenheit und Heftigkeit, zum Teil auch unter dem Einfluß von
Bötticher und Holstein, dem Fürsten Bismarck angedeihen ließ, die dem
nationalen Empfinden durch die Entlassung Bismarcks geschlagene Wunde
immer wieder aufs neue aufreiße. Ich glaube nicht, daß Philipp Eulenburg
vor der Bismarck-Krise gegen den großen Kanzler intrigiert und gehetzt
hat. Aber er hatte dem Kaiser auch nicht widersprochen, sondern sich sofort
und mit jener komödiantenhaften Emphase, die sein Wesen dem schärferen
Beschauer oft abstoßend machte, gegen den Fürsten auf die Seite Seiner
Majestät gestellt. An seinen Freund Baron Dörnberg, damals Legations-
sekretär der Gesandtschaft in Bukarest, schrieb Philipp Eulenburg unmittel-
bar nach der Entlassung des Fürsten Bismarck auf einer offenen Postkarte:
„Bismarck ist fort! Es wird jetzt besser gehen als vorher.“ So dachten 1890
viele, auch außerhalb der drei Parteien Zentrum, Demokratie und Sozial-
demokratie, die den großen Kanzler immer bekämpft hatten.
Was Fürst Bismarck und seine ganze Familie aber nie verziehen haben,
war, daß Philipp Eulenburg, unterstützt von Holstein, nicht ruhte, bis der
Schwiegersohn des Fürsten Bismarck, Graf Cuno Rantzau, sehr gegen
seinen Wunsch von München nach dem Haag versetzt wurde. Es war ein
großer Fehler von Eulenburg, daß er den durch die Versetzung von Rantzau
freigewordenen Münchener Posten antrat. Eulenburg hatte eine besondere
Vorliebe für München, in dessen künstlerischer Atmosphäre er sich wohl-
fühlte, wo seine „‚Rosenlieder‘‘, seine „Skaldengesänge“ und „‚Weihnachts-
märchen“ und andere Erzeugnisse seiner Muse in manchen Kreisen bewun-
dert wurden. Er hätte aber wissen sollen, daß Fürst Bismarck, einmal ver-
letzt und gereizt, nicht vergaß und daß die Verdrängung seines Schwieger-
sohnes und seiner Tochter von dem beiden liebgewordenen Münchener
Posten den Altreichskanzler tief kränken und von ihm nicht vergeben
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Bismarck
gegen Phili