Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

XV.KAPITEL 
Reichstagswahlen » Der Tod des Fürsten Bismarck » Trauerfeier in Friedrichsruh 
Brief Wilhelms II. an seine Mutter über Bismarck » Trauerfeier im Berliner Dom 
Abrüstungsvorschlag Nikolaus’ II. - Ankündigung eines Gesetzes zum Schutze der 
Arbeitswilligen - Ermordung der Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn » Die 
Dreyfus-Affäre 
ie Reichstagswahlen, die am 16. Juni 1898 stattfanden, brachten ein 
Wahlen von D neues Anwachsen der Sozialdemokratie, die von 45 auf 56 Mandate an- 
1898 schwoll. Das Zentrum eroberte noch drei Mandate über seinen bisherigen 
Bestand von 98 Mandaten, die konservativen Parteien verloren 10 Mandate, 
Nicht lange nachher erfolgte die letzte öffentliche Kundgebung des Fürsten 
Bismarck. Ende Juli 1898 schrieb er an den Professor Kahl, der sich mit 
Mut für das Recht der Biesterfelder auf Detmold eingesetzt hatte und sich 
jetzt um die Gründung einer Landesbibliothek in Posen bemühte, die den 
Namen Kaiser-Wilhelm-Bibliothek führen sollte, einen Brief, in dem er der 
Hoffnung Ausdruck gab, daß der ruhmreiche Name seines alten Herrn dem 
patriotischen Unternehmen in Posen, dem er seine wärmsten Sympathien 
entgegenbringe, Erfolg und Gedeihen verleihen möge. So schloß sich bei 
dem größten deutschen Staatsmann der Anfang an das Ende. Der junge 
Gutsherr von Schönhausen hatte einst, ein halbes Jahrhundert früher, am 
20. April 1848, unmittelbar nach der Märzrevolution, eine Zuschrift an die 
„Magdeburger Zeitung“ gerichtet, in der er gegen die frechen polnischen 
Ansprüche, aber noch mehr gegen das weinerliche und einfältige deutsche 
Sympathisieren mit den Polen, dem Erb- und Todfeind der Deutschen, zu 
Felde zog. Mit dem Scharfblick des Genius, der in ferner Zukunft sieht, 
was in der Gegenwart der blöden Menge verborgen bleibt, hatte der kaum 
fünfunddreißigjährige Bismarck damals vorausgesagt, daß ein wiederher- 
gestelltes Polen „Preußens beste Sehnen durchschneiden“ und Millionen 
Deutscher polnischer Willkür preisgeben würde. Ein selbständiges Polen 
würde „ein rastloser Gegner für uns werden, stets bereit, uns bei jeder west- 
lichen Verwicklung in den Rücken zu fallen, viel gieriger nach Eroberung 
auf unsere Kosten als der russische Kaiser.‘ Und auch das letzte Hervor- 
treten des greisen Reichsbaumeisters galt der Sorge für den deutschen Osten. 
Am 1. April 1898 hatte ich das letzte schriftliche Lebenszeichen vom
	        
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