Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

232 „VORWÄRTS! 
preußischen Staats gestellt wurde, dem sein und ihr Haus seit vielen Jahr- 
hunderten dienten, an dem sie, eine Alt- und Urmärkerin von Geburt und 
durch ihre Heirat mit einem Arnim, mit allen Fasern hing. Alardus de Arnim 
erscheint schon um 1204 in der Mark, Klaus von Bismarck wurde 1345 mit 
Burgstall in der Altmark belehnt. Das Arnimsche Stammhaus liegt zwi- 
schen Stendal und Arneberg, das Städtchen Bismarck nahe bei Stendal. 
Malwine von Arnim stand wie ihre Schwägerin Johanna von Bismarck 
und wie meine mit beiden herzlich befreundete Mutter in tiefinnerlicher 
Frömmigkeit auf dem Boden streng positiven, altväterischen Luthertums. 
Als ich mich nach dem Ende der Trauerfeier bei ihr verabschiedete, wies 
sie nach oben. Dann mit fester Stimme: „Mit Paulus halte ich dafür, daß 
dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert ist, die an uns soll geoffen- 
baret werden.“ Der Geistliche, der die Trauerrede gehalten hatte, erzählte 
mir, daß er dem Fürsten vierundzwanzig Stunden vor seinem Heimgang 
auf dessen Wunsch das heilige Abendmahl gereicht habe. Schon umschweb- 
ten ihn die Schatten des Todes. Als er den Kelch an die Lippen setzte, 
stellten sich Schlingbeschwerden ein. „Vorwärts!“ rief mit brechender 
Stimme der Sterbende und trank aus dem heiligen Kelch. Malwine von 
Arnim, die ihren Bruder als unpopulären, gehaßten, gegen die ungeheuersten 
Schwierigkeiten kämpfenden Minister, dann als den großen Preußen und 
Sieger von 1866, als den Wiedererrichter des Deutschen Reichs, als den 
mächtigsten Mann in Deutschland und in Europa erlebt, die auch seinen 
Sturz gesehen hatte, stand jetzt an seinem Sarge, gerade, aufrecht. Sie 
weinte nicht. Neben ihr schluchzte der treue Pinnow, seit vierundzwanzig 
Jahren Diener des Fürsten Bismarck, der sich weniger durch Eleganz als 
durch unbedingte Zuverlässigkeit auszeichnete, der gar nicht an einen 
englischen Butler oder an einen französischen Maitre d’hötel erinnerte, 
aber um so fröhlicher in Friedrichsruh, in Varzin und in Berlin in guten 
Tagen bei Mittag- und Abendessen alten Rotspon und edlen Rheinwein 
herangeschleppt und eingegossen hatte. Infolge einer Anregung von Herbert 
Bismarck habe ich Pinnow nach dem Tode seines Herrn als Portier im 
Schlosse Bellevue untergebracht. Ich weiß nicht, ob Pinnow noch lange 
genug gelebt hat, um unseren entsetzlichen Zusammenbruch zu erleben. 
Sollte er noch im letzten Jahre vor unserem Niederbruch seines Amtes im 
Schloß Bellevue gewaltet haben, wo damals Kaiser Wilhelm II. mit Vor- 
liebe Ministerberatungen abhielt und Audienzen erteilte, so konnte der 
wackere Pinnow Betrachtungen anstellen über die Richtigkeit jener tief- 
sinnigen Warnung seines einstigen großen Gebieters, der gesagt hatte, daß 
die Revision der Geschichte noch unerbittlicher wäre als die der Potsdamer 
Oberrechnungskammer. 
Unmittelbar nach dem Heimgang des Fürsten Bismarck veröffentlichte
	        
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