Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Bodo von 
Knescbeck 
Hofstaat der 
Kaiserin 
246 DIE DAMEN DER KAISERIN 
Charakter nur Ehre machte, unter anderem sagte: „Würden Sie es schön 
finden, wenn ich einen alten und treuen Freund preisgäbe? Würden Sie 
selbst einen alten und treuen Freund preisgeben ?““ Die politische Naivität 
von Mirbach wurde mir klar bei einer der ersten Unterredungen, die ich auf 
der Palästina-Reise mit ihm führte. Er vertrat mit Eifer den Standpunkt, 
daß Friedrich der Große „ein schlechter Kerl‘ und Friedrich Wilhelm IV, 
der beste preußische König gewesen wäre. 
Der Kabincttsrat der Kaiserin, Bodo von Knesebeck, war mein alter 
Kriegskamerad, dessen ich schon gedacht habe. Wir attackierten zusammen 
in der Schlacht an der Hallue und sollten uns siebenundzwanzig Jahre 
später in Berlin wiederfinden, wo er mir immer und unter allen Umständen 
der beste Freund war, der mir die Treue auch nach meinem Rücktritt hielt. 
Sein Tod, der nicht lange vor dem Ausbruch des Weltkriegs erfolgte, war 
ein großer Verlust für die Kaiserin, den sie auch in hohem Grade empfand. 
Es war auch für Kaiser Wilhelm II. ein Verlust, obwohl Seine Majestät 
Knesebeck im Grunde nicht mochte, wohl in dem Gefühl, daß ihn dieser 
mit seinem leisen Skeptizismus nicht ganz au serieux nähme. Knesebeck 
hatte aber so vortreffliche Formen, daß ihm nicht beizukommen war. 
Die Kaiserin hatte außer Knesebeck und Mirbach ihre drei Damen mit- 
genommen: die Oberhofmeisterin Gräfin Therese von Brockdorff und die 
Hofdamen Claire von Gersdorff und Gräfin Mathilde Keller. Die letztere 
war seit ihrer frühesten Jugend mit der Kaiserin eng befreundet, der sie 
schon nahegetreten war, als diese noch eine arme und bescheidene Prinzeß 
von Augustenburg war. Die Familie Keller gehörte zu den nicht wenigen 
deutschen Familien, die ganz oder mit einigen Zweigen ins Ausland ge- 
kommen sind. Bei Beginn des 19. Jahrhunderts war ein Graf Keller 
preußischer Gesandter in St. Petersburg. Der älteste Sohn dieses Grafen 
Keller trat in russische Dienste, und seine Nachkommen wurden so ganz 
Russen, daß mir der im russisch-japanischen Krieg als Held gefallene 
General Graf Theodor Keller einmal sagte, indem er seine Hand an die 
Stirn legte: „Ich bin Russe bis hier, von der Zehe bis zum Wirbel.‘ Seine 
Schwester war die Gräfin Marie Kleinmichl, die selbst in der geistreichen 
St. Petersburger Gesellschaft durch Geist und Verstand eine besondere 
Stellung einnahm. Die preußische Hof-, spätere Hofstaatsdame Gräfin 
Mathilde Keller war mit der Kaiserin Auguste Viktoria zusammen aufge- 
wachsen. Sie sollte als einzige Hofdame, welche die Kaiserin nach Holland 
mitnahm, an ihrem Sterbebett stehen. Fräulein von Gersdorff war die 
Tochter eines ausgezeichneten preußischen Generals, der sich an der Spitze 
der 22. Division, am 6. August 1870, bei Wörth hervorgetan hatte und bei 
Sedan, als Führer des XI. Armeekorps tödlich verwundet, einige Tage nach 
diesem herrlichen Siege starb. Wegen ihrer halb singenden, halb klagenden
	        
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