Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

266 WILHELM II. VERZÖGERT DIE HEIMFAHRT 
den ein gut erzogener, richtiger Engländer mit seinen ruhigen Manieren, 
seiner sicheren Haltung, seiner mit respektvollen Formen verbundenen 
inneren Unabhängigkeit seit seiner Jugend auf ihn ausübte. Der Admiral 
von Senden, dessen antienglische Grundstimmung um so mehr hervor- 
brach, je mehr wir uns Malta näherten, sagte mir in dem Augenblick des 
Einlaufens in den Hafen mit einem gewissen Triumph, da er wußte, daß 
ich freundliche Beziehungen zu England aufrechtzuerhalten bemüht war: 
„Nun sollen Sie einmal sehen, wie unser Kaiser hier mit dem Engländer 
umspringen wird, den Admiral nimmt er sich zuerst vor.“ Als ich eine halbe 
Stunde später mit Senden auf dem Oberdeck auf und ab ging, deutete er 
ingrimmig auf die Kommandobrücke. Dort stand der Kaiser Arm in Arm 
mit dem kurz vorher zur Meldung eingetroffenen englischen Admiral, den er 
mit allen Zeichen kameradschaftlicher und wärmster Freundschaft beehrte. 
Nachdem wir in Malta alles irgendwie Sehenswerte eingehend besichtigt 
und bewundert hatten, drängte mit verdoppeltem Eifer die ganze Reise- 
gesellschaft zur Rückkehr in die Heimat, voran die Kaiserin, die als gute 
Mutter sich nach den Kindern sehnte. Nur der Kaiser selbst war bemüht, 
die Rückkehr nach Möglichkeit hinauszuschieben. Ihn graute förmlich vor 
den unerfreulichen und insbesondere vor den langweiligen Seiten seines 
Berliner und Potsdamer Lebens, die doch nun einmal mit seinem Herr- 
scherberuf unzertrennlich verbunden waren. Wir blieben mehrere Tage vor 
Syrakus. Der Kaiser trug kein Verlangen nach dem Besuch der Latomien 
von Syrakus mit der Pracht ihrer Vegetation und ihren melancholischen 
Erinnerungen an die gefangenen Athener, die sich dort über die Grausam- 
keit ihres Gefängnisses durch Rezitieren der Verse des Euripides getröstet 
hatten. Auch das Grab von August Platen reizte ihn nicht, noch die Quelle 
der Arethusa. Er ging statt dessen den ganzen Tag auf dem Promenaden- 
deck der „Hohenzollern“ mit mir auf und ab, um die für ihn im Vorder- 
grund stehende politische Frage ungestört zu besprechen. Aufgestachelt 
durch die Briefe seiner Mutter, die ihn immer wieder im Interesse ihrer 
Tochter, der Prinzessin Viktoria von Schaumburg-Lippe, gegen die unglück- 
lichen Biesterfelder hetzte, wollte er Mittel und Wege finden, um, wenn auch 
nicht den Grafen Ernst aus Detmold zu entfernen, so doch dessen Nach- 
kommen wegen angeblicher Unebenbürtigkeit von der Sukzession auszu- 
schließen. An einer Stätte, die so eindrucksvoll die Vergänglichkeit alles 
Irdischen predigte, wo das Glück Athens zerschellte, war das Hin- und 
Herreden über diesen typischen Fall deutscher Kleinstaaterei doppelt 
kleinlich. Aber wo einst phönizische und athenische Flotten, römische und 
karthagische Trieren, normannische und arabische Segler, wo die Galeeren 
der Kreuzfahrer vorbeigezogen waren, wo Don Juan d’Austria als Sieger 
von Lepanto geprangt hatte, wurden jetzt die Ahnfrauen des Fürsten Georg
	        
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