Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Der Windsor- 
Vertrag 
274 DER BÖSE ZAHLER PORTUGAL 
Objekt, die portugiesischen Besitzungen in Afrika, sondern auch darauf an, 
bei diesem Anlaß festzustellen, wie weit wir uns auf die englische Bona 
fides verlassen konnten. Die Gelegenheit war günstig. Portugal, der böse 
Zahler, befand sich in einer Geldklemme, unter der seine Gläubiger, 
Deutschland wie England, seit Jahren litten, da sie gar keine Zinsen mehr 
erhielten. Portugal bot bei uns wie in England Verkauf oder Verpfändung 
seiner Besitzungen an. Nach unserem Abkommen sollten Mozambique, für 
dessen Hafen Laurengo-Marquez England schon seit längerer Zeit ein Vor- 
kaufsrecht besaß, in die englische Sphäre fallen, die portugiesischen Be- 
sitzungenanderafrikanischen Westküste in unsere Sphäre. Derportugiesische 
Besitz im Sunda-Archipel sollte zwischen den beiden Großmächten geteilt 
werden. Das Abkommen wurde im Oktober 1898 unterzeichnet. Alsich Ende 
August dem Kaiser melden konnte, daß sich die englische Regierung in 
allen wesentlichen Punkten mit unseren Vorschlägen einverstanden erklärt 
hätte, telegraphierte mir Seine Majestät: „Diese Wendung begrüße ich mit 
Freude, die um so größer ist, als durch die Friedens- und Abrüstungs- 
vorschläge und das sich anschließende Gerede die Kriegsaussichten sich 
wesentlich mehren. Ich danke Ihnen, lieber Bülow, für die aufopfernde und 
erfolgreiche Arbeit und die Geschicklichkeit, mit der Sie England dazu 
gebracht haben, uns endlich nachzugeben. Es ist dieses wieder ein großer 
Triumph Ihrer diplomatischen Feinheit und Weitsichtigkeit.‘“ 
Um die Wende des Jahrhunderts erfuhr ich durch die Indiskretion 
eines mir seit meiner Jugend befreundeten nicht deutschen Diplomaten 
und wurde mir durch Nachrichten aus Pariser Bankkreisen bestätigt, 
daß England ein Jahr nach seinem Abkommen mit Deutschland ein 
geheimes Abkommen mit Portugal geschlossen hatte, den sogenannten 
Windsor-Vertrag, der alte Verträge ausdrücklich wieder bestätigte, in 
denen sich das mächtige England und dessen langjähriger Klient, das 
kleine Portugal, ihren beiderseitigen Besitzstand garantierten mit der Ver- 
pflichtung, ihn im Notfall gegenseitig zu verteidigen. Das Zustande- 
kommen des Windsor-Vertrages war namentlich durch den damaligen 
Prinzen von Wales gefördert worden, zu dessen persönlichen und intimen 
Freunden der portugiesische Gesandte in London, Marquis Soveral, ge- 
hörte. Natürlich stand dieser Windsor-Vertrag mit dem Geist des deutsch- 
englischen Abkommens über die portugiesischen Kolonien in flagrantem 
Widerspruch. Er war nicht nur eine Garantie für Portugal, sondern gerade- 
zu eine Ermunterung für dieses Land, seine Kolonien nicht zu belasten. Er 
stärkte die alte Neigung der Portugiesen, in allen wirtschaftlichen Fragen 
England zu bevorzugen. Gar nicht davon zu reden, daß die politische 
Abhängigkeit der Portugiesen von England durch den Windsor-Vertrag 
noch erheblich verstärkt wurde.
	        
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