PRINZ HEINRICH FÜR ENGLAND 281
vor dem Reichstag und damit als Staatssekretär nicht zu verwerten war,
so verschaffte ich ihm den schönen Posten des Gesandten in Christiania,
heute Oslo genannt. Als solcher hatte er das Pech, daß er während der Nord-
landreise des Kaisers, gerade als dieser in der Hauptstadt Norwegens er-
wartet wurde, ein Telegramm liegenließ. Dieses Telegramm enthielt die
Meldung von der Geburt des ältesten Sohnes des Kronprinzen, des künftigen
Königs und Kaisers. Daraus entstand ein halb komisches, halb tragisches
Quidproquo, das damit endigte, daß Stübel trotz meiner Verwendung im
Ruhestand verschwand. Der Kardinal Mazarin pflegte, wenn ihm für einen
wichtigen Posten ein Anwärter vorgeschlagen wurde, zu fragen: „Est-il
beureux ?“ Als Friedrich der Große einmal die Vorposten beritt, stieß er auf
einen Hauptmann, der in dem nach seiner Gewohnheit ganz einfach ge-
kleideten Reiter den König nicht erkannte. Der König begann ein Gespräch
mit dem Hauptmann, der ihm klagte, daß er, obschon ein braver Offizier
und wiederholt blessiert, nie dekoriert worden wäre. Nach Hause gekommen,
gab der König einem seiner Adjutanten einen Orden pour le merite mit dem
Befehl, ihn dem Offizier zu bringen, der an der vom König genau be-
zeichneten Stelle auf Vorposten stünde. Am nächsten Tage begegnete der
König wieder dem Hauptmann, sah ihn ohne Pour le merite und frug,
weshalb er den ihm verliehenen Orden nicht trage. „Ich bin vom Unglück
verfolgt“, entgegnete der Hauptmann, „als der von Eurer Majestät
gnädigst für mich bestimmte Orden hier eintraf, war ich zehn Minuten vor-
her abgelöst worden!“ Der große König drehte ihm kalt den Rücken mit
den Worten: „Geh’ Er, Er hat kein Glück!“ Der arme Stübel gehörte in die
Kategorie der Leute, die Mazarin und Friedrich der Große nicht mochten,
weil sie kein Glück hätten. Das Glück ist eine Eigenschaft wie jede andere.
Schiller hat das in einem wunderschönen Gedicht zum Ausdruck gebracht:
Selig, welchen die Götter, die gnädigen,
Vor der Geburt schon liebten.
Aus jenem Brief des Prinzen Heinrich vom 28. November 1898 sprach
wieder seine alte Vorliebe für die Engländer: „Unser Ansehen in Ostasien
ist groß. Das Verhältnis zu den Engländern gut und auf gegenseitigen
Sympathien beruhend, mit den Leuten ist viel zu machen, wenn man sie
richtig zu nehmen und zu behandeln versteht, ein Zusammengehen mit
ihnen ist beiderseitig erwünscht, weil in beiderseitigem Interesse. Der Russe
ist gemeinsam gefürchtet und unbeliebt, der Franzose allgemein verachtet.“
Der Wunsch des Prinzen nach einem freundschaftlichen Verhältnis mit
England überall und auch im fernen Osten wurde von mir geteilt. Über
China schrieb der Prinz: „Man mag über China und die Chinesen denken, wie
man will, man steht einem dreitausend Jahre alten Kulturvolk gegenüber,